Rieger junger Moderatoren 2013 wird das TV-Jahr der jungen Wilden

Düsseldorf · Sie sind Anfang 30, schlau, schlagfertig und einigermaßen charmant. Das alleine würde sie schon zu Hoffnungsträgern intelligenter deutscher Fernsehunterhaltung machen.

Neo Paradise – die Late-Night-Show von Joko und Klaas
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Jan Böhmermann, Charlotte Roche, Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Nora Tschirner und Christian Ulmen zeichnet aber noch etwas anderes aus: Sie haben Humor. Damit unterscheiden sie sich nicht nur vom Gros der Moderatoren hierzulande, sondern auch von den allermeisten sogenannten Comedians. Mit dem Ergebnis, dass dieses anarchisch hochbegabte Sextett — plus eine Reihe weitere Jungtalente — in der Lage ist, einem dem Spaß am Fernsehen wiederzubringen.

Zu denjenigen, die den Stein ins Rollen brachten, gehört Christian Ulmen. Der Moderator und Schauspieler ist trotz seiner 37 Jahre so etwas wie der Vordenker dieser Generation Smart. Seine Personality-Shows auf MTV Ende der 90er lebten von seinem teils subtilen, teils provokativen, dabei aber immer hintersinnigen Witz. Ulmen kultivierte seinen Stil später sowohl für seine Filmrollen als auch für die Produktionen seiner eigenen Fernseh- und Filmfirma. So produziert er unter anderem einen anderen TV-Rebellen, Benjamin von Stuckrad-Barre, und tritt in dessen Show auf ZDF neo, "Stuckrad Late Night", gelegentlich als Uwe Wöllner auf, eine von Ulmens fiktiven Figuren aus seinem irren Comedy-Reality-Mix "Mein neuer Freund".

Mix aus Comedy und Reality

Er wolle den alltagsroutinierten Geist überfordern, definierte Ulmen einmal seine Vision von Fernsehen. Diesen Anspruch teilen mittlerweile etliche Gleichgesinnte. Dazu gehört Jan Böhmermann. Der 31-Jährige machte mit schrillen Aktionen und schrägen Zitaten auf sich aufmerksam. Sein Bonmot "Fußball ist wie Schach — nur ohne Würfel" sorgte für Furore, ebenso ein gespielter Auftritt als ein an Schweinegrippe Erkrankter. Heute moderiert der Anzugträger gemeinsam mit Skandalbuch-Autorin Charlotte Roche (34, "Feuchtgebiete") die Talk-Show "Roche & Böhmermann" auf dem digitalen Spartensender ZDF Kultur — wegen des hohen Marktanteils von 0,4 Prozent (!) wird die Sendung ab März nachts im ZDF wiederholt.

Roches und Böhmermanns Talk ist eigentlich ein Anti-Talk — weil sie die Mechanismen dieser Runden gleichermaßen zelebrieren wie zerlegen. Das kommt nicht überall an. Böhmermann wurde von Kritikern etwa vorgeworfen, sich hinter einer feigen Ironie-Fassade zu verstecken. Vergessen wird dabei gerne, dass der 31-Jährige sich die Ironie als Lebensperspektive zugelegt hat, ähnlich wie Harald Schmidt — in dessen Shows er regelmäßig aufgetreten ist. Dort machten oder machen auch andere junge Wilde Station: Pierre M. Krause zum Beispiel oder Klaas Heufer-Umlauf. Wenn Ulmen der Vordenker ist, bleibt für Schmidt die Rolle des Übervaters — mit dem kleinen Unterschied, dass seine Kinder heute lustiger sind als er.

Der 36-jährige Krause etwa moderiert seit 2005 eine Late Night Show im Südwestrundfunk, "SWR3 latenight" und ist damit wohl der erfolgreichste deutsche Late-Night-Moderator. Leider schauen auch bei ihm nicht allzuviele zu. Dieses Problem kennen Joko Winterscheidt (33) und Klaas Heufer-Umlauf (29), bekannt als Joko & Klaas, ebenso mit ihrer Show "neoParadise" auf ZDF neo. Kannten, muss man sagen. Denn im Jahr 2013 wechselt das Gespann komplett zum reichweitenstärkeren Privatsender ProSieben. Das frech-forsche Duo ist so etwas wie die Blaupause für die Wunsch-Zielgruppe des Senders: Lässig, komisch, kindsköpfig, gebildet, weltgewandt, sympathisch — also ein cleveres Kunstprodukt.

Netzwerken bei den Nachwuchs-Showmastern

Wie sehr alles mit allem zusammenhängt, zeigt die Tatsache, dass alle diese vermeintlich schrägen Vögel kräftig miteinander netzwerken. So talkt Böhmermann stundenlang mit Krause und geht mit Heufer-Umlauf auf Kabarett-Tour ("Zwei alte Hasen erzählen von früher"), während dieser wiederum in Böhmermanns Show sitzt. Und irgendwann vielleicht wird Ulmen TV alle Sendungen produzieren.

Vorerst aber dreht Ulmen noch mit einer anderen, extrem eloquenten und verbal angriffslustigen Ex-Moderatorin, Nora Tschirner (31), ausgerechnet einen "Tatort". Was darauf hoffen lässt, dass die Sparten-Talente irgendwann doch das Ruder des arrivierten Fernsehens an sich reißen.

Mit Preisen bedacht sind sie schon, was noch fehlt, sind die Zuschauer. Aber das wird schon. Zur Not muss eben Olli Schulz mit anpacken. Aber das ist wirklich eine ganz andere Geschichte.

(RP/sap/das/nbe)
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