Mundart Die Sprache der Heimat ist ein Schatz

Meinung | Düsseldorf · Mundart stiftet Gemeinschaft, schafft Fröhlichkeit und vermeidet unnötige Schärfen. Allerdings müssen Neu-Rheinländer sich den nötigen Wortschatz erarbeiten – im Austausch mit Rheinländern.

 Ein digitales Werbeplakat fordert in rheinischer Mundart in der Düsseldorfer Alstadt zum Corona-Test auf (Symbolfoto).

Ein digitales Werbeplakat fordert in rheinischer Mundart in der Düsseldorfer Alstadt zum Corona-Test auf (Symbolfoto).

Foto: dpa/Oliver Auster

Das Rheinische ist für manchen schwerer zu verstehen als jede Fremdsprache. Das liegt wohl daran, dass die Mundart eben nicht in der Schule vermittelt wird, sondern bestenfalls auf der Straße aufgeschnappt werden kann.  Wären da nicht die kölschen Sangesbarden, die mit Lust und Knubbele drauflos singen, ging wohl immer mehr verloren, was schon Willy Millowitsch als Herzenssache sah: „Sing so wie ich, da bruchst dich nit zu schamme. Und hässde Truusverloss, dann singe mir zesamme.“

Die heimatliche Sprache verbindet, hat Wärme und bietet Trost, schafft Fröhlichkeit und vermeidet unnötige Härten. Was im Hochdeutschen möglicherweise als Beleidigung strafbar wäre, kann in der Mundart fast schon ein Kompliment sein. Als meine bergische Freundin bei einem Kneipenbesuch zufällig mitbekam, wie sich Stammgäste über mich unterhielten, war sie über die Aussage „Der war immer schon doll“ entrüstet. Ich konnte sie aufklären. Wer hierzulande als „doll“ bezeichnet wird, hat nicht etwa die Tollwut, sondern kann damit auch für seine ausgefallenen Ideen und Initiativen gelobt worden sein. Meine emotional veranlagte  Begleitung (rheinische Charakterbezeichnung: „die ess wie e Pöttche Heef“) ging diesmal nicht hoch (wie Heefe), sie nickte den älteren Herren sogar freundlich zu, als wir die Kaschämm (das Lokal) verließen.

Mittlerweile hat sie schon viel gelernt über die Sitten und Gebräuche der Einheimischen, würde aber gern auch das rheinische Mundwerk besser verstehen. Dank Karl Lauterbach und seinen allgegenwärtigen TV-Auftritten („dä schwaad sich de Mull fusselich“) hat sie den Singsang schon ganz gut drauf und weiß, dass bei dem Begriff Pandemie im Rheinischen das „a“ betont wird. Es fehlt ihr aber – wie vielen anderen auch – am Wortschatz: Wer weiß schon noch, was Schellemenke meint. Der Begriff kommt von einem harmlosen Streich meiner Kindertage. Wie andere freche Puute (Kinder) schellte ich allzu gern beim Nachbarn und lief dann schnell weg, bevor der oder seine Frau schimpfend an die Tür kam.  Wir waren die Schellemenkes! Kurz und gut: dreckelige Pänz. Wie  heißt es so richtig rheinisch schön  in der Feuerzangenbowle? „Nä, wat habt ihr ne fiese Charakter.“

Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.

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