Rheinische Lösung Trauern und Lachen

Meinung | Düsseldorf · Erst Abschied nehmen, dann zur Kaffeetafel – passt nicht? Im Rheinland schon.

 Der Leichenschmaus ist ein Teil des gemeinsamen Trauerns (Symbolfoto).

Der Leichenschmaus ist ein Teil des gemeinsamen Trauerns (Symbolfoto).

Foto: Brigitte Bonaposta - Fotolia/unknown

A schöne Leich“ – solch eine Wortwahl kennt neben dem Wiener wohl nur der Rheinländer: „ne schöne Beerdigung“. Auch für die rheinische Seele ist das kein Widerspruch. Ihr erschließt sich sofort, was gemeint ist: Mag der Anlass auch von Trauer bestimmt sein, so hat er doch auch stärkende Momente, die als Ermutigung empfunden werden. Würdig, herzlich, von ehrlicher Anteilnahme getragen – so kann eine schöne rheinische Beerdigung sein. Dabei kommt es nicht allein auf die Trauerfeier mit einem Pastor an, der wirklich „jut jesprochen“ hat, entscheidend ist nicht selten die Zusammenkunft nach dem Gang zum Friedhof.

Die stärkende Kaffeetafel (häufig gibt es dazu Streuselkuchen, manchmal sogar Rindfleischsuppe) ist die Einladung zum Gespräch, zur gemeinsamen Erinnerung. Da darf auch mal gelacht werden, da wird später (im Sinne des Verstorbenen) auch angestoßen. Das mag manchem pietätlos erscheinen, ist aber Trauerarbeit nach rheinischer Art. Denn dann kehrt das gemeinsam Erlebte als schöne Erinnerung zurück.

Bei der Beerdigung von Onkel Karl war diese Form des Abschiednehmens besonders ausgeprägt. Seine Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr hielten am längsten aus. Seine drei Söhne hörten gerne zu, wie über ihren Vater erzählt wurde. Es gab sogar eine kleine Debatte darüber, ob nun tatsächlich der Gottvater aus dem Altarbild in der Kirche eine gewisse Ähnlichkeit mit Karl habe. Erwähnt wurde aber schnell die gewisse Skepsis, die sich Onkel Karl zeitlebens gegenüber der Kirche und jeder anderen Form der Obrigkeit bewahrt hatte. Der Verstorbene war ein zupackender Mann, Schreinermeister wie Vater, Großvater, Ur- und Ururgroßvater, herzlich, aber sehr direkt. Zuletzt wurde er milde. Katzen hatte er nie gemocht, weil sie seinen geliebten Brieftauben nachstellten. Im Alter hatte er dann irgendwann doch mal Nachbars Katze auf dem Schoß sitzen und streichelte sie sogar: „Du kannst ja nix dafür, dass du Katz jewode bess“, sagte er. Das ist Weisheit, wie sie bei einer schönen Beerdigung vermittelt wird. Und dann kann das Leben weitergehen.

Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.

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