Unterwegs in Mecklenburg-Vorpommern So sieht in diesem Jahr Urlaub an der Küste aus

Ahrenshoop · Auf dem Darß in Mecklenburg-Vorpommern sind die Strände und Straßen schon vor Beginn der Schulferien im Rheinland gut besucht. Die Tourismus-Manager versuchen, einer neuen Welle vorzubeugen.

 So sah es über Pfingsten in Binz auf Rügen aus.

So sah es über Pfingsten in Binz auf Rügen aus.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Es duftet gut am Strand von Ahrenshoop. In einer kleinen roten Holzhütte brotschelt ein Schnitzel mit Bratkartoffeln in einer Eisenpfanne auf einem kleinen Gaskocher. Strandkorbvermieter Manfred Pagels macht Mittagspause. Aber natürlich bleibt er für Kunden verfügbar. 60 Körbe vermietet er hier auf dem Darß. Drei Stunden nach Öffnung hat er noch 25 Schlüssel für die Zwei- und Dreisitzer übrig. Während des kurzen Gespräches schrumpft die Zahl auf 20. Und das an einem Wochentag lange vor Beginn der Schulferien. Mecklenburg-Vorpommern hat die geringste Corona-Infektionsrate. Auch das mag ein Grund dafür sein, dass die Küstenstreifen derzeit so beliebt sind wie selten zuvor um diese Zeit.

„Hier infiziert sich keiner“, versichert Pagels und verweist auf die gute Luft im Ostseebad - und auf den Platz am fünf Kilometer langen Sandstrand. Die benachbarten Abschnitte bei Dierhagen, Prerow oder Zingst sind ähnlich weitläufig. Deshalb kann Pagels nur schmunzeln über die Corona-Vorgaben. „1,5 Meter Mindestabstand zwischen Strandkörben“ steht neben dem Zugang angeschlagen. „Ich mache sowieso immer drei Meter Abstand in der Breite und fünf in der Tiefe“, erklärt der 75-Jährige. Schließlich solle jeder auch am Strand ein bisschen Ruhe genießen.

Genießen. Das ist das Stichwort für diesen Junitag an der Ostsee. Nach den Einschränkungen suchen die Menschen nach Normalität. Die Schlange vor dem Eissalon stört niemanden. Auch nicht die vor dem „Fischhus“. Die Vorfreude auf das Schlecken und Schlemmen unter blauem Himmel bleibt beherrschend. Die Dorfstraße ist voll von Flaneuren. Und auf dem hoch gelegenen Weg entlang der Küste bewegt sich ein selten abreißender Strom von Radfahrern. Nicht Dutzende, es sind Hunderte.

Auf dem Rad lässt sich leicht  Abstand halten. Ohnehin tragen die Urlauber eine neue Gewohnheit mit in die Geschäfte. Etwa am Zeitschriftenladen: Maske auf, Postkarte kaufen, Maske ab. Es scheint eine Selbstverständlichkeit geworden zu sein. Darauf setzt auch Kurdirektor Roland Völcker. „Wie lange geht es gut?“, fragt er sich. Das Herunterfahren des gesamten Tourismus verbindet er mit dem Wort „Katastrophe“. Mecklenburg-Vorpommern ist zum liebsten Urlaubsziel der Deutschen geworden. Viele leben vom Tourismus. Alle standen in den Startlöchern, legten letzte Hand an Großveranstaltungen. Und dann plötzlich das Aus für alles. Gerade waren die ersten Tickets für das Jazzfestival von Ahrenshoop verkauft, als sämtliche Konzerte den Stempel „abgesagt“ bekamen. „Das hat richtig wehgetan“, erinnert sich Völcker.

Umso schöner waren die Gefühle, als der Tourismus an der Ostsee in Schritten wieder hochgefahren wurde. „Manche Vermieter haben schon in der ersten Nacht Anrufe von Urlaubern bekommen“, berichtet der Kurdirektor. Und auch Pagels weiß noch gut, wie es Pfingsten losging. Eine Familie aus Bochum habe zu den Ersten gehört. Viele treibt es erstmals in diese Region. Hans und Martina Casel aus Stuttgart etwa. Sie hatten wie jedes Jahr eine Woche Griechenland gebucht. Ahrenshoop wurde ihr Ersatz. Sie sind die typischen Fernreisenden, planen schon den nächsten Trip nach Costa Rica, mussten nun aber schauen, „wo man denn überhaupt hin kann“. Und so landeten sie am Bodden. „Hinreißend schön“ finden sie den Strand nach einer 23-Kilometer-Wanderung. Und schon steht für sie fest: „Wenn es im Alter mal nicht mehr klappt mit den 20-Stunden-Flügen, dann ist das hier ein richtig gutes Urlaubsziel.“ Wenn denn noch Platz ist. Der Eindruck beim Schlendern durch Ahrenshoop, Zingst oder Warnemünde ist unterschiedlich. Es gibt Viertel mit lauter „belegt“-Schildern vor jeder Ferienwohnung. Es gibt Straßenzüge mit „frei“ vor jeder zweiten Unterkunft. Doch in diesen Tagen laufen die Buchungen viel intensiver als in den Vorjahren. Die Belegungsquote für die Zeit der Schulferien im Rheinland bewegt sich von 90 auf hundert Prozent zu. Viele wollten gar nicht wissen, ob es denn überhaupt noch Veranstaltungen gebe, sie interessierten sich vor allem dafür, ob die Restaurants geöffnet haben, berichtet Sebastian Semmler von der Kur- und Tourismusgesellschaft Darß in Wieck. Die Antwort: ja – mit Auflagen.

Künftig können die Hotels wieder alle Zimmer belegen, dürfen jedoch kein Buffet bieten. Das Frühstück gibt es aufs Zimmer oder in Zeitslots in den Speisesälen. „Bitte im Hotel Mund- und Nasenschutz tragen“, steht neben dem Eingang zum Charlottenhof am Strand von Ahrenshoop. Die Lockerungen fordern die Fantasie der Tourismusmanager heraus. Statt „fällt in diesem Jahr aus“, schauen sie, was unter veränderten Bedingungen möglich ist. So wird auch der Ostseekasper kommen: Nicht wie sonst frei zugänglich für alle Familien. Sondern in einem eigens geschaffenen eingefriedeten Bereich mit festen Plätzen und Listen mit den Namen der Besucher. Geht doch. Ähnlich wird die Konzertreihe „Naturklänge“ vorbereitet.

Die Stimmung ist an der Nordsee ähnlich. „Ein lauer Sommerabend auf einer ostfriesischen Insel, und der Karibikurlaub ist vergessen“, prophezeit der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Alle Touristikbetriebe seien bestens vorbereitet, das Infektionsgeschehen „sehr überschaubar“, und deshalb stehe einem unbeschwerten Urlaub an der Küste nichts entgegen.

„Liebe Gäste, wir haben Euch vermisst“, haben die Mitarbeiter auf eine Tafel neben einem Textilgeschäft an der Mittelmole von Warnemünde geschrieben. Ein paar Meter weiter: „Ihr seid mit A-B-S-T-A-N-D die besten Kunden“. Jeder hat es in der Hand, was aus Corona wird an der Küste. In den Restaurants desinfizieren sie die separierten Tische. Am Ende der Mole stehen neben Fischbuden Bänke mit Biertischen. Touristen genießen Fischbrötchen und Bier in der Abendsonne. Dicht an dicht. Niemand hat sie registriert. Auch das ist Urlaub in Corona-Zeiten: Die einen sorgen vor. Die anderen hoffen.

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