Konzerte im Livestream und Applaus vom Balkon Menschlichkeit in Zeiten von Corona

Düsseldorf · Kulturveranstaltungen, Gesang und Applaus auf dem Balkon, Nachbarschaftshilfe – auch in Zeiten der Ausbreitung des Coronavirus wollen sich die Menschen gegenseitig helfen und danken. Eine Auswahl bemerkenswerter Aktionen.

 Anwohner in Rom stehen an einem Fenster und applaudieren und winken während eines Flashmobs gegen Einsamkeit.

Anwohner in Rom stehen an einem Fenster und applaudieren und winken während eines Flashmobs gegen Einsamkeit.

Foto: dpa/Mauro Scrobogna

Hauskonzerte via Twitter und Instagram

Weil diverse Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen angesichts der Ausbreitung des Coronavirus in vielen Ländern Europas ausfallen, gibt der russisch-deutsche Pianist Igor Levit seit einigen Tagen regelmäßig Hauskonzerte in seinem eigenen Wohnzimmer. „Die Konzertsäle sind leer, gemeinsames Hören und Erleben von Musik ist nicht möglich. Das ist traurig, jedoch notwendig. Und gut so. Trotzdem möchte ich Musik weiter mit Euch teilen. Hören, erleben. So, wie es halt geht“, schrieb der Musiker auf dem Nachrichtenkurzdienst Twitter, wo seine Konzerte veröffentlicht.

Für seine Zuhörer spielt der 33-Jährige Stücke von Beethoven, Rzewski oder Bach. Und die Menschen sind begeistert: Fast 300.000 sehen sich die Hauskonzerte regelmäßig an. Dass ihm die Aktion so viel Zuspruch einbringt, überrascht Levit. „Überwältigt. Danke. Bis morgen, gleiche Zeit“, schreibt er nach seinem zweiten Konzert, das über 280.000 Menschen verfolgten.

Wegen der anhaltenden Begeisterung hat Levit angekündigt, die Livekonzerte fortzuführen – egal von wo. Erst kürzlich spielte er ein live in München.

Igor Levit wurde in der russischen Millionenstadt Nischni Nowgorod geboren. Mit acht Jahren kam er mit seinen Eltern nach Deutschland. Levit studierte Klavier an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. 2005 gewann der heute 33-Jährige als jüngster Teilnehmer die Silbermedaille, den Publikums- und mehrere Sonderpreise beim internationalen Klavierwettbewerb „Arthur Rubinstein International Piano Master Competition“ in Tel Aviv. In diesem Jahr startete Levit anlässlich des 250. Geburtstages Ludwig van Beethovens einen Klavierpodcast. In 32 Folgen präsentiert er alle 32 Sonaten des weltberühmten Bonner Komponisten.

Auch andere Künstler nutzen die sozialen Medien, um den Menschen ihre Kunst ins Wohnzimmer zu bringen. Die italienische Sängerin Gianna Nannini spielte am Donnerstagnachmittag live einige Akustikstücke in ihrem Wohnzimmer in Mailand und sendete sie live auf dem sozialen Netzwerk Instagram. Am Freitag hatte es eine Neuauflage geben.

Applaus und Gesang aus Balkonien

In Italien und Spanien dankten Tausende Menschen den Ärzten, Krankenpflegern, Helfern und Sanitätern, die sich in der Coronakrise um die Erkrankten kümmern.

Im ganzen Land solidarisierten sich Tausende Italiener, die wegen der Ausnahmesituation zu Hause bleiben müssen, mit den Helfern. Am Freitagabend kamen sie mit Instrumenten oder singend auf ihre Balkone oder an die Fenster, um Lieder gegen Angst, Einsamkeit und Langeweile in der Isolation anzustimmen. Beim „Flashmob sonoro“ (klingender Flashmob) machten Harfenspieler, Flötisten, Pianisten, Kinder an Trommeln, Gitarrenspieler und tanzende Menschen auf Balkonen mit.

Der Aktion „Zeigt Euch am Fenster“ schloss sich auch Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi an. „Zusammen schaffen wir das“, erklärte sie in den sozialen Netzwerken. Italien ist nach China das Land mit den meisten Covid-19-Opfern. Es ist mittlerweile eine Sperrzone mit strikten Auflagen, nicht das Haus zu verlassen außer in notwendigen Fällen wie zum Beispiel zum Einkaufen.

In Spanien bedankten sich die Menschen ebenfalls bei ihrem Gesundheitspersonal. Am Samstagabend traten gegen 22 Uhr im ganzen Land Tausende Spanier an ihre Balkone und sangen oder applaudierten den Helfern. Auch Auto- und Busfahrer machten mit und veranstalteten Hupkonzerte.

Zahlreiche Videos von der Aktion verbreiteten sich in den sozialen Medien. In Madrid waren der Applaus und der Gesang in der ganzen Stadt zu hören.

#Nachbarschaftschallenge im Netz

In Sozialen Medien haben zahlreiche Nutzer eine Solidaritätsaktion gestartet, um besonders gefährdeten, also älteren oder vorerkrankten Menschen, in den kommenden Tagen zu helfen. Unter dem Hashtag #NachbarschaftsChallenge posten seit einigen Tagen zahlreiche Menschen unter anderem Hilfsangebote, die sie in ihren Wohnhäusern ausgehangen haben: „Wir gehören nicht zur Risikogruppe und können somit unter die Arme greifen, falls benötigt.“

Erfunden hat die Aktion nach eigenen Angaben von Frederika Ferkova aus Wien. Sie ließ sich auf Twitter von Meldungen inspirieren, in denen eine Frau in häuslicher Isolation zu Solidarität aufrief. „Was kann man machen, um so schnell wie möglich für Hilfe zu sorgen“, diese Frage habe sie sich gestellt - und die #NachbarschaftsChallenge ins Leben gerufen. „Inzwischen machen sich die Leute schon eigene Vorlagen, es berichten internationale und nationale Medien. Das ist total schön“, erzählt die Social-Media-Managerin, die für eine Partei in der österreichischen Hauptstadt arbeitet.

Gassi-Hilfe auf Facebook

Nicht nur wir Menschen sind von den Einschränkungen im täglichen Leben durch das Coronavirus betroffen. Tierbesitzer, die unter Quarantäne stehen, brauchen Hilfe bei der Versorgung ihrer Haustiere. In den sozialen Netzwerken haben sich auch zu diesem Thema Menschen zusammengefunden, die helfen wollen. In zahlreichen Facebook-Gruppen können Betroffene nach Gassi-Hilfen suchen. Ein Beispiel: Die Gruppe „Gassigeher bundesweit - Hilfe bei Quarantäne“, die mittlerweile über 11.000 Mitglieder hat.

(dpa/mkoe)
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