Impfdurchbruch in der WG Jung, gesund, geimpft – und trotzdem Corona

Düsseldorf · Impfdurchbrüche betreffen vor allem Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen. Aber in Ausnahmefällen können sich auch junge Menschen trotz Impfung anstecken. Die 28-jährige Rachael Neilson, die zweimal mit Astrazeneca geimpft wurde, schildert ihren Krankheitsverlauf.

 Rachael Neilson ist geimpft. Trotzdem hat sie sich im August mit Corona infiziert. Die zweiwöchige Quarantäne verbrachte sie in ihrem WG-Zimmer.

Rachael Neilson ist geimpft. Trotzdem hat sie sich im August mit Corona infiziert. Die zweiwöchige Quarantäne verbrachte sie in ihrem WG-Zimmer.

Foto: Anne Orthen (orth)

Auf den Tag meiner zweiten Impfdosis habe ich mich sehr lange gefreut. Der Tag markierte für mich den Punkt, an dem es endlich bergauf geht, an dem wieder mehr Freiheiten möglich sind und ich mich wieder sicherer fühlen kann. Im Rahmen der zu der Zeit gegebenen Möglichkeiten habe ich sogar eine kleine Impf-Party gefeiert und 14 Tage später auf den vollständigen Impfstatus angestoßen.

Ziemlich genau zwei Monate später bekam ich um 23 Uhr eine E-Mail: PCR-Test positiv. Trotz zweifacher Impfdosis bin ich an Corona erkrankt. Ich hatte keinen schweren Verlauf, doch trotzdem war ich sehr schlapp, von den kleinsten Tätigkeiten extrem erschöpft. Dazu kamen die psychische Belastung und die Sorge um meine Mutter, die ebenfalls trotz vollständiger Impfung erkrankt war.

Ich komme aus England und bin im Sommer 2020 nach Düsseldorf gezogen. Während einer Pandemie ist es schwierig, in einer neuen Stadt Fuß zu fassen. Deshalb habe ich mich für eine WG entschieden, so lernt man schneller Menschen kennen. Ich bin Lehrerin und arbeite mit vier- bis fünfjährigen Kindern. Da war die Zeit der Lockdowns und des Digitalunterrichts besonders schwierig. Kinder, die noch nicht einmal lesen können, per Video zu unterrichten, ist eine Herausforderung.

Dank meines Berufes hatte ich auch schon früh die Möglichkeit zur Corona-Schutzimpfung. Ende März bekam ich die erste Dosis Astrazeneca, im Juni dann nach zwölf Wochen die zweite Dosis. Meine Eltern leben in England, deshalb waren auch sie schon doppelt geimpft, als das in Deutschland für viele Menschen noch nicht möglich war.

Als sich die Infektionslage im Sommer dann etwas entspannte, beschlossen sie, mich in Düsseldorf zu besuchen. Vorher verbrachte ich eine Woche in England. Als wir dann zusammen nach Deutschland kamen, zeigte ich bald erste Erkältungssymptome. Sofort habe ich mich testen lassen. Alle vier Schnelltests, die ich den kommenden Tagen machen ließ, waren negativ.

Doch es ließ mir keine Ruhe, besonders, weil auch meine Mutter irgendwann Halsschmerzen bekam. Als sie einen Schnelltest machte, war er positiv. Ihr PCR-Test bestätigte das, sie hatte sich mit Corona infiziert. Natürlich begab sie sich sofort in ihrem Hotelzimmer in Quarantäne. Auch mein PCR-Test, den ich daraufhin machte, bestätigte dann, was ich befürchtet hatte: Ich hatte Corona.

Das bedeutete auch für mich Quarantäne. Das ist in einer WG gar nicht so einfach. Ich verbrachte die meiste Zeit während der 14 Tagen in meinem Zimmer, nur wenn ich zur Küche oder ins Bad musste, verlies ich es. Nie ohne Maske, nicht ohne meiner Mitbewohnerin Bescheid zu geben, sodass wir uns nicht begegneten, und immer mit Desinfektionsmittel und Putztüchern, um alles, was ich berührt hatte, sofort abzuwischen und zu desinfizieren.

Logistisch war das ganz gut zu organisieren, in einer Stadt wie Düsseldorf gibt es genug Lieferdienste für Lebensmittel. Wenn ich etwas anderes brauchte, konnte meine Mitbewohnerin das für mich besorgen – sie hatte sich zum Glück nicht infiziert –, und da das neue Schuljahr während meiner Quarantäne begonnen hatte, begrüßte ich meine neuen Schüler eben wieder per Video, das kannten ja alle schon aus dem Digitalunterricht.

Doch körperlich spürte ich deutliche Symptome, ich hatte Kopf- und Gliederschmerzen, trockenen Husten – und ich war permanent erschöpft. Auch meine Mutter hatte einen ähnlichen Krankheitsverlauf. Sie konnte ihr Hotelzimmer nicht verlassen, lief tagelang darin bei geöffnetem Fenster immer wieder auf und ab, um wenigstens ein bisschen Bewegung zu bekommen.

Glücklicherweise unterstützte das Hotelpersonal meine Eltern sehr, die kümmerten sich um Essenslieferungen ins Zimmer und um banale Dinge wie Wäsche, die gewaschen werden musste. Denn immerhin wollten sie ursprünglich einige Tage in Düsseldorf verbringen, letztlich waren es fast drei Wochen. Mein Vater hatte sich nicht infiziert, so durfte immerhin er nach draußen. Doch er sorgte sich natürlich sehr um seine Frau und um mich.

Besonders belastend war während dieser Zeit die Frage, wo wir uns angesteckt haben könnten. Ständig fragte ich mich, ob ich es war, die meine Mutter mit dem Virus infiziert hat. Das sorgte bei mir für ständige Schuldgefühle. Obwohl ich nicht herausfinden konnte, wann und wo genau ich mich angesteckt hatte grübelte ich, ob ich es hätte verhindern können.

Isoliert zu sein, nur in einem Zimmer zu leben hilft da nicht, aus dieser Gedankenspirale herauszufinden. Ich bin immer wieder alle Orte durchgegangen, die ich besucht hatte, alle Personen, mit denen ich in Kontakt war. Wo war es passiert? Und hätte ich etwas anders machen können?

Glücklicherweise wurden meine Mutter und ich nach der 14-tägigen Quarantäne negativ getestet, die Infektion war überstanden. Mir ging es da auch schon wieder viel besser, bei meiner Mutter hielten die Symptome noch etwas länger an. Zuerst war es ein ziemlicher Schock, dass wir uns trotz zweifacher Impfung ansteckten.

Trotzdem war ich die ganze Zeit über sehr froh über den Impfschutz. Möglicherweise hat das einen viel schwereren Verlauf verhindert, vielleicht sogar unser Leben gerettet. Ich bin keine Medizinerin, habe kein Fachwissen, aber ich bin sehr dankbar für die Impfung. Ich bin mit 28 Jahren noch jung, habe keine Vorerkrankungen und habe mich trotz doppelter Impfdosis mit Corona angesteckt. Wer weiß schon, was passiert wäre, wenn ich ungeimpft gewesen wäre?

Sollte es sein, dass für Menschen wie mich, die zweimal mit Astrazeneca geimpft wurden und die mit Menschen arbeiten, die sich noch nicht impfen lassen können, eine sogenannte Booster-Impfung empfohlen wird, dann würde ich sie auf jeden Fall annehmen. In dieser Pandemie sind so viele Menschen gestorben, viele haben große psychische, körperliche oder finanzielle Belastungen erfahren. Wenn es eine Chance gibt, sich und andere vor dem Virus zu schützen, würde ich sie immer nutzen. Auch wenn es keinen 100-prozentigen Schutz gibt.

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