Zugführer verließ Platz vor Aufprall Bahnunfall: Fünf Schwerverletzte

Herbrechtingen (dpa). Bei einem Zugunglück im Bahnhof von Herbrechtingen bei Ulm (Baden-Württemberg) sind am Donnerstag 32 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Eine Regionalbahn war am Morgen mit großer Wucht auf einen stehenden Güterzug aufgefahren. Fünf Insassen erlitten durch den Aufprall und umherfliegende Zugteile schwere Verletzungen.

Eine junge Zugbegleiterin konnte erst nach einer halben Stunde aus den Trümmern befreit werden. Der Zugführer war nach Angaben des Bundesgrenzschutzes (BGS) kurz vor dem Aufprall von seinem Platz aufgesprungen. Zunächst hatte es geheißen, er sei aus seinem Sitz geschleudert worden. Er überlebte das Unglück mit schweren Verletzungen. Die Unfallursache war zunächst unklar, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Offenbar sei einer der beiden Züge auf das falsche Gleis gefahren, sagte BGS-Sprecher Alexander Wietstock. Der Fahrdienstleiter des Bahnhofs war nach dem Unglück für mehrere Stunden verschwunden. Nach intensiver Suche der Polizei kam er am Nachmittag selber zum Bahnhof zurück. Er stand unter Schock und konnte zunächst nicht befragt werden. Der Sachschaden des Unglücks liegt nach ersten Schätzungen bei eineinhalb Millionen Mark.

Zugteile, Kabel und Splitter zeugten noch Stunden später auf Gleis 1 des kleinen Bahnhofs Herbrechtingen von dem schweren Unfall. Die Haltegriffe in den Abteilen des Unglückszuges waren blutverschmiert, die vorderen Sitze aus den Halterungen gerissen. Die Fahrerkabine war zu einer Masse aus Stahl, Kabeln und zersplitterten Fensterscheiben verformt.

"Gott sei Dank haben wir alle lebend da raus geholt", sagte Brandmeister Peter Betzler. Er war einer von mehr als 100 Feuerwehrleuten, Sanitätern und Polizeibeamten, die gleich nach dem ersten Alarm zum Unglücksort gerast waren. Mehrere Passagiere standen unter Schock und liefen auf den Gleisen umher. Die Retter versorgten die Verletzten bis zum Eintreffen der Rettungswagen notdürftig in dem kleinen Bahnhofsgebäude. 24 Menschen wurden anschließend in die Krankenhäuser gebracht, acht davon mussten nur ambulant behandelt werden.

Der Bahnhof wurde nach dem Unfall voll gesperrt. In leuchtend gelben und orangen Uniformen hoben sich die Helfer an der Unglücksstelle vom dichten Nebel ab. Alle sprachen nur über ein Thema: Wie konnte das passieren? Warum stand der Güterzug um diese Uhrzeit auf Gleis 1, als dort, wie jeden Morgen um kurz vor zehn, der Zug aus Ulm eingefahren ist? Bahnsprecher Martin Schmolke hielt nichts von Spekulationen. "Wir haben noch keine Erkenntnis über die Unglücksursache", sagte er. Die Bahn sucht mit dem Bundesgrenzschutz und der Staatsanwaltschaft Ellwangen nach der Ursache des Unglücks.

Im Raum Ulm war es bereits der zweite Bahnunfall innerhalb eines Monats. Erst Ende Oktober hatte ein Regionalzug auf einem Bahnübergang nahe Ehingen einen Müllwagen erfasst, der auf den Schienen abgestellt war. Zwei Menschen starben und 19 wurden verletzt. In der 13 000-Einwohner-Stadt Herbrechtingen haben viele diesen Unfall noch gut in Erinnerung. Vor dem gesperrten Bahngleis sprach eine 39 Jahre alte Frau aus, was viele an diesem Nachmittag dachten: "Zum Glück ist niemand gestorben."

(RPO Archiv)
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