Bundesweit von Bedeutung Urteil erwartet: Ist Prostitution noch sittenwidrig?

Berlin (dpa). In einem mit Spannung erwarteten Prozess will das Berliner Verwaltungsgericht am (morgigen) Freitag entscheiden, ob Prostitution in der heutigen Gesellschaft noch als "sittenwidrig" gelten soll. "Wir erwarten ein grundsätzliches Urteil, das bundesweit von Bedeutung ist", sagte Anwältin Margarete von Galen am Donnerstag der dpa. Sie vertritt die Berliner Prostituierte Felicitas Weigmann im Streit um ihr Cafe "Pssst" mit den Behörden.

In einer vom Gericht in Auftrag gegebenen Umfrage habe die Mehrheit der Befragten gesagt, Prostitution als sittenwidrig einzustufen, sei überholt, berichtete die Anwältin. Auch Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) will Prostituierte gesetzlich besser stellen.

Weigmann betreibt im gutbürgerlichen Berlin-Wilmersdorf eine Bar und vermietet im Hinterhaus Zimmer an Prostituierte, die zuvor in der Kneipe ihre Freier treffen. Weigmanns erklärtes Anliegen: Die anschaffenden Frauen sollen unabhängig bleiben, ohne Zuhälter in angenehmer Atmosphäre arbeiten und lediglich Miete bezahlen. Weigmann ist der Ansicht, dass dies nicht sittenwidrig ist.

Nach der bisherigen Rechtslage kann aber eine Konzession widerrufen werden, wenn ein Gastwirt der "Unsittlichkeit Vorschub" leiste. Darauf berief sich das Bezirksamt Wilmersdorf, das im Dezember des Vorjahres die sofortige Schließung des Cafes anordnete. Dieser Beschluss wurde zwar nach einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zurückgenommen. Das Bezirksamt beharrte aber weiter darauf, dass mit dem Bar-Betrieb gegen das Gaststättengesetz verstoßen werde, weil dort "Anbahnungsgespräche" zwischen den Frauen und Freiern stattfänden.

(RPO Archiv)
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