Fragen und Antworten Was jetzt mit Nord Stream 2 passiert

Berlin · Die Bundesregierung hat wegen der Ukraine-Krise die Genehmigung für die Gaspipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt. Wie geht die Bundesregierung genau vor, welche Folgen kann dies für das Projekt und die Gasversorgung haben?

 Das Verlegeschiff „Audacia“ des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2. (Archivfoto)

Das Verlegeschiff „Audacia“ des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2. (Archivfoto)

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

IST DIE ENTSCHEIDUNG EINE SANKTION GEGEN RUSSLAND?

So kann dies gedeutet werden, im engeren Sinne ist es aber keine. Sanktionen sind im Allgemeinen zumindest in Europa abgestimmt und unterliegen EU-Regeln. In diesem Fall aber handelt die Bundesregierung im Rahmen des nationalen Genehmigungsverfahrens für die Pipeline.

WIE GENAU GEHT DER BUND VOR?

Der noch von der alten Bundesregierung erstellte positive Versorgungs-Sicherheitsbericht wurde zurückgezogen. Ein solcher ist aber Voraussetzung für eine Genehmigung durch die Bundesnetzagentur. Für den Bericht liefern auch andere europäische Länder Einschätzungen, die dann von der Bundesregierung gewichtet werden. Der erste Bericht fiel auch positiv aus, weil - vereinfacht gesagt - argumentiert wurde, eine zusätzliche Pipeline sei gut für die Versorgung.

WANN KOMMT DER NEUE BERICHT?

Unklar. Für einen ersten Bericht ist eine Frist von drei Monaten vorgeschrieben. Laut Wirtschaftsministerium ist aber nicht geregelt, wieviel Zeit für einen neuen zur Verfügung steht, wenn der erste zurückgezogen wurde.

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WARUM KÖNNTE DER NEUE BERICHT JETZT NEGATIV SEIN?

Zum einen sieht die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP die Pipeline skeptischer als die Vorgängerregierung unter Angela Merkel. Konkrete Ansatzpunkte sind laut Regierungskreisen zum Beispiel, dass Russland womöglich gar kein Transit-Gas mehr durch die Ukraine schicken könnte, wenn es Möglichkeiten über zwei Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee hat. Nord Stream 2 wäre somit nicht mehr eine zusätzliche Leitung, sondern würde womöglich andere Leitungen durch die Ukraine ersetzen.

IST DAS ENDGÜLTIGE AUS VON NORD STREAM 2 BESIEGELT?

Nicht zwangsläufig. Sollte sich die Lage irgendwann entspannen, könnte es eine Neubeurteilung geben.

KÖNNEN DIE BETEILIGTEN FIRMEN AUF SCHADENERSATZ HOFFEN?

Unwahrscheinlich. "Das von der Bundesregierung gewählte Verfahren ist vollkommen berechtigt, formal in Ordnung und schließt daher mögliche Schadensersatzansprüche aus", sagt Wiegand Laubenstein von der auf Energierecht spezialisierten Anwaltskanzlei "Rosin Büdenbender" der Nachrichtenagentur Reuters. Laubenstein ist Ex-Vorsitzender Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das wiederholt mit Energierechts-Verfahren befasst ist. Uniper als ein Finanzier der Pipeline erklärt, dass man sich derzeit auch nicht mit rechtlichen Schritten befasse, aber Abschreibungen prüfe.

KANN DEUTSCHLAND OHNE NORD STREAM 2 AUSKOMMEN?

Deutschland bezieht 55 Prozent seines Gases aus Russland. Dies kommt über verschiedene Leitungen. Nord Stream 2 gilt als verzichtbar. "Deutschland ist versorgungssicher", sagt auch Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Blick auf mögliche weitere Liefereinschränkungen aus Russland. Er setzt unter anderem auf Flüssiggas (LNG) etwa aus Katar oder den USA, das zuletzt verstärkt für Deutschland eine Rolle spielte. Eine andere Frage sind die Gaspreise, die durch den Konflikt Habeck zufolge noch einmal steigen dürften.

Der Verband "Zukunft Gas" hält Nord Stream 2 dagegen für notwendig. Er verweist auf sinkende Fördermengen in Norwegen und den Niederlanden. Dieser Ausfall müsse über andere Importe kompensiert werden. "Die Pipeline leistet einen Beitrag zur Schließung der wachsenden Importlücke in Europa", sagt Geschäftsführer Timm Kehler. "Diese Lücke kann auch mit neuen LNG-Terminals nur zum Teil und zu höheren Kosten gefüllt werden."

(chal/Reuters)
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