Das Montagsinterview mit Petra Motte „Oft sind die großen Dinge sehr klein“

Wermelskirchen · Die Trainerin und Mediatorin spricht über gute Vorsätze, wie man sie umsetzen kann und wann man sich besser keine vornimmt.

 Petra Motte ist Trainerin, Beraterin und Mediatorin tätig und hat auch einen Lehrauftrag.

Petra Motte ist Trainerin, Beraterin und Mediatorin tätig und hat auch einen Lehrauftrag.

Foto: Claudia Ast

Frau Motte, haben Sie sich etwas für das neue Jahr vorgenommen?

Petra Motte Ich möchte noch mehr die kleinen Dinge in den Vordergrund heben und wertschätzen. Etwa mich bei Menschen bedanken, auch für Kleinigkeiten, und ihnen sagen, was sie mir bedeuten. Wir sind häufig in einem „Motzmodus“ und melden uns oft nur dann, wenn es etwas zu beschweren gibt. Frei nach dem Motto: Nicht beschwert ist genug gelobt.

Für wie sinnvoll erachten Sie den Brauch der guten Vorsätze?

Motte Sie setzen Impulse, regen zum Nachdenken an. Sie sind eine gute Gelegenheit zu reflektieren, zu planen und um eine Veränderung einzuleiten. Menschen denken seit jeher in Zeitfenstern. Wir brauchen also ein Datum als Orientierungshilfe. Bei großen Veränderungen bietet sich der 1. Januar als perfektes Datum an. Wir haben dann noch ein ganzes Jahr vor uns, also gefühlt viel Zeit, um unsere Vorsätze anzugehen. In anderen Ländern beginnt das neue Jahr nicht am 1. Januar. Hier sind es außerhalb eines numerischen Datums die Rituale des Neubeginns, der Reinigung. Altes wird verworfen, so gibt es in China in den letzten Tagen des alten Jahrs buchstäblich eine Kehrwoche, in der man sich von alten Möbeln, alten Kleidungsstücken trennt, damit das neue Jahr mit seiner Reinheit Einzug halten kann.

Sind Neujahrsvorsätze nicht fast automatisch zum Scheitern verurteilt?

Motte Menschen brauchen einen Antrieb. Je stärker der ausgeprägt ist, desto eher wird es gelingen. Es ist leicht gesagt: Ich möchte 30 kg abnehmen. Die Frage ist, wie konkret gehe ich es an? Wenn ich mich aber mit einem Freund oder einer Freundin zusammenschließe, mich am 2. Januar in einer Abnehmgruppe anmelde, mich mit meinem Hausarzt zu Kontrollterminen verabrede, in der Apotheke an regionalen Kampagnen teilnehme und aufschreibe, was ich alles esse – dann kann das ein gangbarer Weg sein. So sieht es auch mit dem Vorsatz aus: Ich möchte weniger arbeiten, mehr Zeit mit Freunden verbringen. Auch hier bedarf es der Notwendigkeit der festen Verabredung und Zusage. Ich rate auch manchmal zu einem „Vertrag mit sich selbst“.

Wie kann man ein Scheitern verhindern?

Motte Konsequenz ist wichtig: Wenn ich mehr Zeit für etwas haben will, sollte ich regelmäßige Termine festlegen. Für Paare etwa „Datenights“, wie es im amerikanischen sehr verbreitet ist. Ich selbst habe auch gute Erfahrungen mit wiederkehrenden Terminen gemacht. Etwa jeden letzten Mittwoch oder jeden zweiten Donnerstag im Monat für etwas zu blockieren. Ziele sollten nicht zu hochgesteckt sein: Wenn wir zu viel von uns erwarten und uns unter Druck setzen, setzt ein anderer Mechanismus ein: Die „Aufschieberitis“. Klare Formulierungen helfen ebenfalls: Aus einem „man müsste mal“ macht man ein „Ich will“, aus einem „Ich kann das nicht“ ein „Ich kann das noch nicht“. Außerdem helfen kleine Belohnungen: Für jedes erreichte Teilziel winkt etwas Besonderes, etwa ein Saunabesuch oder ein Kinoabend. Eher kontraproduktiv ist jedoch ein großes Abendessen, wenn man abnehmen will, oder mit einem Weinabend, wenn das eigentliche Ziel darin bestehen soll, weniger Wein zu trinken.

Wann haben Sie selbst zum letzten Mal einen guten Vorsatz gebrochen?

Motte Ich denke da anders: Meine Vorsätze sind klein und ich lehne mich oft zurück und frage mich, was bisher gut war. Um mich zu motivieren, schaue ich mehr auf das, was gelingt, als auf das, was im Argen liegt. Das klappt sehr gut und ich bin glücklich damit.

Worum ging es dabei?

Motte Ich schlage mich seit einiger Zeit damit herum, im Sport in eine andere Spielklasse zu kommen. Im Grunde geht es nur um „diesen einen verflixten Punkt“. Wenn ich mir dann anschaue, warum ich an den entsprechenden Turnieren nicht teilnehmen konnte, stimmt es mich versöhnlich. Denn es sind dafür andere, teils großartige Dinge passiert, die diesen kleinen Aufschub rechtfertigen.

Wie oft kann man sich die gleiche Sache wieder vornehmen, bis man den Vorsatz für gescheitert erklären muss?

Motte Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass viele Menschen gewisse Vorsätze ein Leben lang mit sich herumtragen. Oft geht es hier schon um Glaubenssätze, die wir aus der Kindheit mit uns herumtragen.

Hat das auch was mit Glaubwürdigkeit gegenüber sich selbst zu tun?

Motte Ja, in der Tat. Vielen Menschen fällt es schwer, sich so anzunehmen, wie sie sind. Der Satz: „Ich mag mich so, wie ich bin“ geht oft schwer über die Lippen. Viele sanktionieren sich regelrecht, wenn sie die guten Vorsätze nicht erfüllen, stellen dann häufig ihr gesamtes Leben in Frage.

Was ist denn die „Mutter aller Vorsätze“, als der Klassiker schlechthin?

Motte Mehr Sport, weniger Arbeit, mehr Zeit für Familie und Freunde. Frieden.

Was sind denn ansonsten gute Themen für den guten Vorsatz?

Motte Gut ist ja relativ. Das mag jeder für sich in seiner Lebenswelt entscheiden. Ich begleite viele Menschen in schwierigen Lebensumständen. Da kann es ein guter Vorsatz sein, endlich mal wieder lachen zu können, oder einen geliebten Menschen nach einem Streit wieder in die Arme zu schließen. Oft sind die großen Dinge sehr klein.

Und gibt es welche, die man besser meiden sollte?

Motte Ungünstig sind meiner Meinung nach zu hoch gesteckte Ziele – etwa: Ich laufe von Null auf Hundert einen Marathon. Auch sind absolute Ziele, oder solche, die unter Druck setzen, schwer umzusetzen.

Gibt es Lebensumstände, in denen man sich besser gar nichts vornehmen sollte?

Motte Wenn man sich in einer Lebenskrise befindet, ist es schwierig, klare und gangbare Ziele zu formulieren. Auch aus einer Krankheit heraus steht erst einmal die Genesung im Mittelpunkt. Wie es dann um alles andere bestellt ist, wird man schauen müssen. Alles zu seiner Zeit. Derzeit sind auch viele Menschen von Unsicherheiten am Arbeitsplatz betroffen. Zukunftsängste blockieren eine klare Perspektive. Es gibt viele Faktoren, die nicht beeinflussbar sind. Hieraus klare Vorsätze zu formulieren, ist fast unmöglich.

Wie sollte das persönliche Umfeld sich verhalten, wenn es von den guten Vorsätzen mitbekommt?

Motte Es ist schon hilfreich, diesen Vorsätzen nicht mit Ironie oder Sarkasmus zu begegnen. Jeder noch so kleine Vorsatz darf seine Berechtigung haben, denn er entspringt aus einem großen Bedürfnis des Einzelnen, was man von außen nur schwer einschätzen kann. Auch zu häufiges Nachfragen kann Leidensdruck oder Missstimmung erzeugen.

Was war der seltsamste Vorsatz, von dem Sie gehört haben?

Motte Die Vorsätze sind so seltsam wie die Menschen selbst. Es ist schön, hier und dort mal etwas Abwechslung zu erleben.

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