Solingen Zwilling – eine Weltmarke

Solingen · Mehr als 13 000 Kochmesser werden täglich bei Zwilling J. A. Henckels am Grünewald produziert. Der Standort Solingen ist und bleibt für das Unternehmen das Kompentenzzentrum, von dem weltweit die gesamte Gruppe mit 3100 Mitarbeitern gesteuert wird. Mit 281 Jahren ist Zwilling eine der ältesten Marken weltweit.

Verblüffend, mit einer ganz gleichmäßigen Bewegung zieht Janusz Gensty die Klinge des Messers über das Schleifband. Der Mann auf dem Schemel ist konzentriert, nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Das wäre auch fatal. Ein Wackler, und die Klinge wäre so nicht mehr zu gebrauchen. Zweimal zieht er jede Seite ab. Dabei hat er fast keinen Spielraum; den Schleifwinkel zwischen 30 und 32 Grad gilt es, exakt einzuhalten.

Anschließend wird die Klinge poliert, um den hauchdünnen Grat zu entfernen. "Erst dann ist das Messer richtig scharf", erklärt Gensty das Ergebnis seiner Präzisionsarbeit. Um dies so ebenmäßig hinzubekommen, bedarf es alleine neun Monate des Lernens. Und jene, denen die innere Ruhe dabei fehlt, lernen es wohl nie.

Keine Frage, in diesem Arbeitsfeld der Produktion, in der außergewöhnliche Messer gefertigt sowie Sonderserien gefahren werden, erinnert Zwilling J. A. Henckels noch an eine Manufaktur. Ansonsten hat in dem Werk am Grünewald längst die Automatisierung Einzug gehalten. Roboterarme bestücken Maschinen, die die Klingen stanzen, ihre Rücken schleifen, oder den Schmiedehammer, in dem der rotglühende Stahl zum Kropf geformt wird.

Anders wäre dies freilich auch nicht möglich. Immerhin werden am Grünewald mehr als 13 000 hochwertige Kochmesser pro Werktag produziert; das sind drei Millionen Messer im Jahr.

Doch überall dort, wo in dem langen Produktionsprozess mit 40 Arbeitsschritten noch Fingerspitzengefühl gefragt ist, kommt es auf Fachkräfte an — etwa beim elektrolytischen Ätzen des Zwilling-Logos und selbstverständlich bei den Kontrollschritten bis zur Endabnahme. "Wir haben hier eine gute Balance gefunden", sagt Michael Gordner, Mitglied der Geschäftsbereichsleitung "Küche". Der 48-Jährige war bis Ende vergangenen Jahres Geschäftsführer der Zwilling-Tochter in Japan und ist nun am Solinger Firmensitz tätig.

"Der Erfolg", erklärt er mit Blick auf diese Balance in der Produktivität im Werk am Grünewald, "gibt uns recht". Die Auftragsbücher seien sehr gut gefüllt. "In den nächsten Jahren müssen wir uns über die Auslastung keine Gedanken machen."

Dem Standort Solingen stärkt Michael Gordner ausdrücklich den Rücken: Solingen sei das Kompetenzzentrum für westliche, hochwertige Kochmesser. "Das war in der Vergangenheit so und das wird auch so bleiben." Millionen wurden beispielsweise vor einigen Jahren in die neue Härteanlage am Grünewald investiert.

Insgesamt fährt das Weltunternehmen aber die Strategie, sich breit aufzustellen: mit hochwertigen Küchenprodukten, zu denen eben auch die Messer gehören, dem Geschäftsfeld "Beauty" mit den Nagelpflege- und Kosmetik-Instrumenten sowie Friseurscheren. Langfristig lässt sich nach den Worten von Zwilling-Manager Gordner nur mit guten Kompetenzprodukten am Markt bestehen. Auch hier gibt der Erfolg dem Unternehmen offensichtlich recht. Der Umsatz der Zwilling-Gruppe ist im Geschäftsjahr 2010 um zwölf Prozent auf 391 Millionen Euro gestiegen.

Dem Vernehmen nach ist der Umsatz im vergangenen Jahr deutlich zweistellig gewachsen; und auch in diesem Jahr entwickeln sich die Geschäftszahlen sehr gut.

Rund 3100 Mitarbeiter sind weltweit bei der Zwilling-Gruppe beschäftigt, die meisten im Ausland. Immerhin bestehen 22 Tochterunternehmen weltweit. In Solingen sind fast 700 Männer und Frauen tätig: rund 490 im Zwilling-Werk am Grünewald; etwa 130 bei Jaguar und rund 90 bei Tondeo.

Im Grünewalder Firmensitz mit seiner altehrwürdigen Backsteinfassade laufen die Fäden des Unternehmens zusammen.

"Die komplette Gruppe wird von Solingen aus gesteuert", berichtet Michael Gordner. Neben der Produktion der Premium-Kochmesser sind hier Controlling, Finanzen und Rechtsabteilung, aber auch Einkauf und Qualitätssicherung, das weltweite Marketing und die wichtige Entwicklungsabteilung untergebracht. Gemeinsam mit dem renommierten Designer Matteo Thun ist jüngst die neue Messerserie "Zwilling Pro" entwickelt worden, ein klassisches Messer, das mit seinem neu gestalteten, abgeflachten Kropf die Profi-Griffhaltung ermöglicht.

Neben der Sonderschmelze, die seit 1967 für die meisten Zwilling-Messerserien verwendet wird, wird der innovative Cronidur 30 Stahl für die Klingen der Messerserie Twin 1731 eingesetzt, ein Stahl, der aus der Raumfahrt kommt und auch im neuen Riesen-Airbus A 380 verwendet wird.

18 Lehrlinge sind zurzeit im Unternehmen. Die eigene Ausbildung wird auch in Zukunft eine wichtige Bedeutung am Stammsitz haben.

Hitze und Schockkälte brauchen die Klingen übrigens für ihre spezielle Dehnungs- und Widerstandsfähigkeit. Dazu werden sie in der Härteanlage am Grünewald zuerst auf 1100 Grad erhitzt und anschließend tiefgefroren — bei minus 70 Grad. Dies bewirkt im Stahl die ganz bestimmte Gefügezusammensetzung.

(RP/rl)
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