Prozess gegen Solingerin Haben Ämter Mitschuld am Tod eines Kleinkindes?

SOLINGEN/WUPPERTAL · Haben Ämter und Behörden eine Mitverantwortung am Tod eines 21 Monate alten Pflegekindes in Solingen? Auf diese Frage hätte die leibliche Mutter gerne eine Antwort.

Haben Ämter und Behörden eine Mitverantwortung am Tod eines 21 Monate alten Pflegekindes in Solingen? Auf diese Frage hätte die leibliche Mutter gerne eine Antwort. Deren Anwalt hat bereits angekündigt, sich nach dem Ende des Prozesses am Landgericht Wuppertal gegen die wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagte Pflegemutter mit dieser Frage an die Staatsanwaltschaft wenden zu wollen.

Nach der Verlesung polizeilicher Vernehmungsprotokolle ist nun klar: Es hatte bereits im Vorfeld Hinweise darauf gegeben, dass die Angeklagte mit der Betreuung des Kleinkindes überfordert sein könnte. Drei Monate vor der Tat sollen sich am gleichen Tag zwei Passanten unabhängig voneinander an das Jugendamt in Solingen gewandt haben, weil die 51-Jährige ruppig mit dem kleinen Mädchen umgegangen sei. Daraufhin soll es einen unangemeldeten Besuch bei der Pflegemutter gegeben haben, deren Eignung soll jedoch nicht angezweifelt worden sein. Die Pflegeerlaubnis wiederum soll vom Leverkusener Jugendamt einen Monat vor der Tat vergeblich in Solingen angefordert worden sein. In Leverkusen hatte man auch gerne gewusst, welchen Eindruck der Mitarbeiter des Solinger Jugendamtes beim Hausbesuch gewonnen hatte. In Solingen soll man hingegen auf den Datenschutz verwiesen haben und darauf, dass man von der Pflegemutter nicht von der Schweigepflicht entbunden worden sei.

Schlimmer wog allerdings das, was eine Mitarbeiterin des Wuppertaler Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF) bei ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung ausgesagt hatte. Die Zeugin war mit der Vormundschaft für einen 14 Monate alten Jungen betraut, der 2014 als Pflegekind im Haus der Angeklagten gelebt hatte. Schon früh habe sie ein ungutes Gefühl gehabt und das Gespräch zu der 51-Jährigen gesucht. Die habe immer wieder plausible Erklärungen für die blauen Flecken des Kindes gehabt, und es sei auch irritierend gewesen, dass sich das Kinderzimmer im Kellergeschoss des Einfamilienhauses befunden habe. Irgendwann sei die Situation eskaliert und die Angeklagte habe gefordert, dass der Junge sofort bei ihr abgeholt werden solle. Das sei noch am gleichen Tag geschehen, weil man sich beim SKF um das Kindeswohl gesorgt habe. „Für uns stand fest, dass sie kein Pflegekind mehr bekommt“, so die Mitarbeiterin des SKF Wuppertal.

Die Angeklagte soll sich hingegen schon am nächsten Tag bei anderen Jugendämtern um ein Kind beworben haben. Es soll damals auch einen Kontakt zum Solinger Jugendamt gegeben haben, und dem SKF soll versichert worden sein, dass die Angeklagte ein derart junges Kind nicht zur Pflege bekommen werde. Zwei Jahre später scheint man dort die Sache anders gesehen zu haben. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt.

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