Aufgefallen Ein Leben ohne Handball - "nichts für mich"

Neununddreißig Minuten waren gespielt am Samstagabend, der TSV Bayer Dormagen führte mit 15:12 gegen die TSG Groß-Bieberau, als manchem der 1300 Zuschauer der Atem stockte: Marcel Wernicke, zuvor zwei Mal von Linksaußen erfolgreich, hatte gerade den Ball in der eigenen Hälfte abgefangen, lief alleine aufs gegnerische Gehäuse zu. Hatte am Samstag einen "Sahnetag" erwischt: Marcel Wernicke überzeugte beim Dormagener 29:19-Sieg über Groß-Bieberau in Angriff wie Abwehr.

Neununddreißig Minuten waren gespielt am Samstagabend, der TSV Bayer Dormagen führte mit 15:12 gegen die TSG Groß-Bieberau, als manchem der 1300 Zuschauer der Atem stockte: Marcel Wernicke, zuvor zwei Mal von Linksaußen erfolgreich, hatte gerade den Ball in der eigenen Hälfte abgefangen, lief alleine aufs gegnerische Gehäuse zu. Hatte am Samstag einen "Sahnetag" erwischt: Marcel Wernicke überzeugte beim Dormagener 29:19-Sieg über Groß-Bieberau in Angriff wie Abwehr.

Zwischen dessen Pfosten war Sekunden zuvor der erstliga-erfahrene Andreas Bulei nach neunminütiger Abstinenz zurückgekehrt. Keine außergewöhnliche Situation - doch aus solchen Momenten können Schlüsselszenen für ein ganzes Spiel werden: Hält Bulei, kann er zum Matchwinner über sich hinauswachsen, verwirft Wernicke, kann ihn sein Trainer getrost wieder auf die Bank setzen. Und verworfen, das hatte der junge Mann, der vor knapp zwei Wochen 22 Jahre alt geworden war, schon häufig in ähnlichen Situationen...

Doch am Samstag traf Marcel Wernicke nicht nur ganz cool zum 16:12. Am Ende stand er mit insgesamt fünf Treffern auf dem Spielberichtsbogen, der mit dem 29:19 den zweithöchsten Saisonsieg des TSV auswies. "Es war ein Sahnetag", kommentierte der 22-Jährige seine Leistung vorne wie hinten. Einen, den sich Marcel Wernicke hart erarbeitet hat: "Wir haben wie die Verrückten trainiert", erinnert er sich an die Vorbereitungsphase und die ersten Wochen der Saison, als sich Khalid Khan seiner besonders annahm.

Umschulung auf Linksaußen hieß das Übungsprogramm, das sich der Co-Trainer für den drittjüngsten Spieler im Bayer-Aufgebot ausgedacht hatte. "Eigentlich bin ich ja Rückraumspieler", sagt Marcel Wernicke über Marcel Wernicke. Die Hoffnung, auch als solcher eingesetzt zu werden, hat er nicht aufgegeben: "Die Allrounderrolle gefällt mir ganz gut. Und im modernen Handball muss man auf alles gefasst sein." Dass das Spezialtraining wichtig und richtig war, das steht für ihn außer Frage: "In der Abwehr hab' ich ja letzte Saison schon ganz gut gespielt, aber im Angriff lief es nicht richtig."

Anfangs, gibt er offen zu, sei die Überei "manchmal ziemlich frustrierend" gewesen: "Aber es hat sich ja gelohnt." Vielleicht trägt zum gewonnenen Selbstbewusstsein auch das veränderte mannschaftliche Umfeld bei: "Ich will ja nicht sagen, dass wir in der vergangenen Saison nur schlechte Stimmung gehabt hätten... Aber jetzt ist alles viel persönlicher, wir unternehmen auch eine Menge privat zusammen", verrät Marcel Wernicke einige Mannschaftsinterna. In der vierten Saison trägt der 195 Zentimeter große und 85 Kilo schwere Rechtshänder nun das Trikot des TSV Bayer.

Geboren ist er zwar in Ratingen, wo auch sein Vater in der Oberliga spielte. Doch nach Dormagen kam Marcel Wernicke aus Bad Säckingen, einem kleinen Ort an der Schweizer Grenze, gegenüber von Basel, wo die Familie vor acht Jahren aus beruflichen Gründen hin gezogen war. Eltern und Bruder wohnen immer noch dort, vor allem sein "handballverrückter" Vater lässt aber kaum eine Gelegenheit aus, Marcel und den TSV spielenb zu sehen - nicht nur auf der "Süddeutschland-Tournee" in der vergangenen Woche.

Berufliche Gründe waren es auch, die Marcel Wernicke zurück ins Rheinland brachten, denn im Dormagener Bayer-Werk absolvierte er eine Lehre zum Chemikant. Zur Zeit leistet er seinen Zivildienst ab, kümmert sich im Teilzeitinternat des TSV Bayer um die Hausaufgabenbetreuung, erledigt den Fahrdienst zu den Dormagener Schulen und andere organisatorische Aufgaben.

"Mir macht das riesig Spaß. Und besser konnte es für mich doch kaum laufen", sagt Wernicke über seine Zivi-Stelle. Wenn die ausläuft, möchte er gerne sein Abitur nachholen, um dann ein Chemiestudium zu beginnen. Dabei hofft er, dass sich das mit seinen sportlichen Ambitionen kombinieren lässt. Denn "ein Leben ohne Handball, das wäre nichts für mich", stellt Marcel Wernicke kategorisch fest.

Wohin die Reise des TSV geht, da möchte sich der 22-Jährige nicht so genau festlegen: "Damit, dass wir nur von Spiel zu Spiel denken, sind wir bisher gut gefahren. Das sollten wir nicht ändern. Aber ein guter Tabellenplatz wird dabei schon herausspringen." Zumal, wenn er selbst immer so einen "Sahnetag" erwischt wie am Samstag. Volker Koch

(NGZ)
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