„Three Wise Men“ gastierten in Remscheid Jazz-Reise durch das europäische Liederbuch

Remscheid · „Three Wise Men“ begeisterten in der Lenneper Klosterkirche ihr Publikum mit verjazzten Werken aus Oper, Operette, Volksmusik und Schlager.

 Three Wise Men: Rossano Sportiello, Frank Roberscheuten und – etwas verdeckt – Schlagzeuger Oliver Mewes (v. l.).

Three Wise Men: Rossano Sportiello, Frank Roberscheuten und – etwas verdeckt – Schlagzeuger Oliver Mewes (v. l.).

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Natürlich ist man in den – hoffentlich – Spätwehen der Corona-Pandemie, gerade auch angesichts des nahenden Herbsts und Winters nach wie vor hochgradig sensibilisiert, was Nähe und Distanz angeht. Dennoch hätte zum einmal mehr fantastischen Auftritt des Jazz-Trios „Three Wise Men“ am Mittwochabend in der Klosterkirche eigentlich ein kleines Jazz-Kabäuschen besser gepasst als der doch vergleichsweise weitläufige Minoritensaal. Denn das Trio um den niederländischen Saxofonisten Frank Roberscheuten, den italienischen Klavier-Virtuosen Rossano Sportiello und Ersatz-Schlagzeuger Oliver Mewes aus Leverkusen, der den verhinderten Österreicher Martin Breinschmid fulminant ersetzte, hat jene Art von Jazz-Musik im Gepäck, die doch von der Intimität und der Nähe eines kleinen Clubs lebt, in dem man am viel zu kleinen Tisch ein Glas Rotwein nach dem anderen trinken kann, während die Musiker einen gefühlten halben Meter von einem entfernt alles geben.

Aber das ist völlig unnötiges Gejammer, denn natürlich funktioniert die Musik dieses perfekt aufeinander eingespielten Trios auch in der ebenfalls wunderschönen Klosterkirche ausgezeichnet. Mitgebracht haben die drei Jazzer ihr Programm „The European Songbook“. Was nichts anderes heißt, als dass die „Drei weisen Männer“ Klassiker aus Oper, Operette, Volksmusik und Schlager einmal durch die Jazz-Mangel drehen und so etwas ganz Neues erschaffen. Und obwohl die Band zuletzt erst im März dieses Jahres in der Klosterkirche zu Gast gewesen ist, waren eine ganze Menge gut gelaunter und musikhungriger Gäste erschienen.

Es passiert sicherlich nicht oft, dass der Gefangenenchor aus der Verdi-Oper „Nabucco“ als erstes Stück bei einem Jazz-Konzert zu hören ist. Aber genau das passierte am Mittwoch und machte deutlich, wie verwandt doch alle Musik dieser Welt ist – denn ob nun ein großes Orchester samt Chor diese bekannte Melodie intoniert, oder ob eine dreiköpfige Jazz-Band sie für sich entdeckt hat und in ihrer ganz eigenen Art und Weise interpretiert ist eigentlich ganz egal. Denn sie funktioniert so oder so – und genauso ist das auch mit der Herkunft der Musik. Was daran deutlich wird, dass die drei Protagonisten eine kleine Rundreise durch Europa veranstalten. Die führt sie von Italien startend in viele europäische Länder, in denen jede Menge schöner, bekannter und selten gehörter Melodien auf ihre „Jazzifizierung“ warten.

Etwa in Österreich, wenn „Three Wise Men“ sich an Franz Léhars Operette „Die lustige Witwe“ wagen. Was so gar nichts operettenhaft-prätentiöses hat, sondern ganz und gar locker-flockig daherkommt. Oder an den Niederrhein, von dem der Komponist Franz Doelle stammte, der die Schlager-Melodie „Wenn der weiße Flieder blüht“ geschrieben hat. Ein wenig internationaler – also im außereuropäischen Sinne – wird es mit dem Stück „Avalon“. Das ist zwar einerseits so sehr von Giacomo Puccinis Oper „Tosca“ inspiriert worden und damit ganz ureuropäisch, dass der Komponist Vincent Rose sich mit einer Klage von Puccinis Erben konfrontiert sah, die er übrigens auch verloren hat, ist aber andererseits durch den „King of Swing“, natürlich dem großen Benny Goodman, berühmt geworden – und damit wiederum uramerikanisch.

Aber das ist letztlich egal, denn es bestätigt doch nur einmal mehr, dass Musik eben vollkommen losgelöst von allen willkürlich gezogenen Ländergrenzen ist – und damit im ureigensten Wortsinn absolut universell. Kein Wunder, dass immer wieder von der „verbindenden Kraft der Musik“ gesprochen wird. Und es würde in der Welt sicherlich besser aussehen, wenn mehr Musik gemacht und weniger palavert würde.

Es ist aber immerhin ein Anfang, wenn Musiker wie Roberscheuten, Mewes und Sportiello – der zwischendrin übrigens ein wirklich wundervolles Solo hinlegen durfte, bei dem man sich allerdings noch mehr in einen kleinen, verrauchten Jazzclub wünscht –, Abende wie diesen in der Klosterkirche veranstalten. Denn sie sorgen für ein wohliges Gefühl der Ruhe und der Zufriedenheit, auch wenn man bei einem Song außerhalb des Songbooks – „Oléo“ von Sonny Rollins, ein echter Hot-Jazz-Hammer –, kaum stillsitzen vermag. „Die Hauptsache ist, dass ihr hier seid, dass wir hier spielen können und dass es uns allen gut geht“, sagt Roberscheuten irgendwann. Und das ist in seiner geradezu liebevollen Naivität ein Moment, der auf dieser musikalischen Reise quer durch Europa wohl am meisten berührt. Weil das so richtig erscheint und gleichzeitig im Alltag viel zu selten vorkommt. Bleibt als Fazit eigentlich nur die Erkenntnis, dass, wer immer davon ausgeht, dass die Kultur in Krisenzeiten abgeschafft werden könnte, schlicht und ergreifend keine Ahnung hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort