Ratingen In Homberg rattern die Nähmaschinen

RATINGEN · Die Textilingenieurin Susanne Tigges hat eine Nähschule für Kinder und Erwachsene eingerichtet. Dort finden Kurse und Workshops statt.

 Susanne Tigges aus Homberg hat nach ihrem beruflichen Ausflug als Produktentwicklerin wieder zurück an die Nähmaschine gefunden.

Susanne Tigges aus Homberg hat nach ihrem beruflichen Ausflug als Produktentwicklerin wieder zurück an die Nähmaschine gefunden.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Es gibt Anbauschränkchen, die – in weiß oder schwarz – Anwalts- und Steuerkanzleien zur dezenten Coolness gereichen. Hier stehen sie in shocking pink. Sie passen aber bestens zu den cremeschnitten-beigen Nähmaschinen, der sanft abgetönten Wandfarbe, zu rosa-goldenen Schmuckelementen der Räumlichkeit. Arbeiten hier Prinzessinnen?

Erst einmal arbeitet hier die Textilingenieurin Susanne Tigges. Und dann können sich an dem liebevoll gestalteten Ort Frauen und wahrscheinlich auch Männer versammeln, um zu sticheln. Nein, nicht gegen die abwesenden Homberger Mitbürger, sondern so richtig: mit Nadeln in Hand oder/und an der Maschine.

Fast am Ende von Alt-Homberg, da, wo der Feldrain die agronomische Seite des Stadtteils signalisiert, hat die junge Frau in ihrem Haus eine kleine Nähschule eingerichtet, die Kinder (ab acht Jahren etwa) und Erwachsene anspricht. Sie macht das, was sie gelernt hat und weiß Ehemann wie Kinder wie Familienhund stets, na gut, meistens, in der Nähe.

Als Susanne noch Jost hieß und in Hagen ihr Abitur ablegte, hatte sie neben einer „nähenden“ Mutter schon etliche Kilometer Stoff unter der ratternden Nadel durchgezogen. Als groß gewachsene – wenngleich sehr schlanke – junge Frau gibt es eben auch nicht jedes Modell altersangemessener Träume von der Stange zu kaufen. Und was den zu wählenden Beruf betraf: Sie war selbst die Frau fürs Kreative und Praktische. Und die damalige Zeit spielte ihr einen ausgesprochenen Glücksfall zu. In Hagen hatte Modeschöpfer Hanns Friedrichs, „der Dior vom Rhein“, der High-Society-Darling, der beliebte und geschätzte Mitmischer im Winter- und Sommerbrauchtum eine große Dependance, in der seine Werke kunstfertig hergestellt wurden. Da herrschte zwar nicht pausenlos das rheinische Trallafitti des Meisters – aber da wurde ordentlich gearbeitet und ordentlich gelernt. Und Susanne Jost war mittendrin.

Friedrichs entwarf für Düsseldorfer Boulevard-Theater die Bühnenkostüme, nähte für Joan Collins, das Denver-Biest, und andere Showgrößen und den Düsseldorfer Jet-Set. Auch in ziemlich großen Größen, sehr oft mit prachtvoller Opulenz. Da war es kein Wunder, dass die junge Auszubildende manches edle Stück mit nach Hause nahm und Perlen, Steinchen und Glittertand zu Hause applizierte. Und zwar so gescheit, dass nicht das halbe Ornament parterre ging, wenn sich die Trägerin ein Stück von der Korsage gezupft hatte.

Sie sahnte schließlich mit ihrem Gesellenstück etliche Preise ab, unter anderem wurde sie drittbete Absolventin deutschlandweit. Im Anschluss daran studierte sie Bekleidungstechnik mit dem Schwerpunkt Schnittkonstruktion und arbeitete insgesamt 15 Jahre in der Bekleidungsindustrie, unter anderem bei adidas und Esprit als Produktentwicklerin.

Hagen hatte die jetzt 46 Jahre alte Frau lange verlassen. Doch Berlin war, neben anderen Städten, auch nicht der Bringer für sie und ihren Mann. Und inzwischen gab es drei Kinder, für die ein fester Wohnsitz auch von Vorteil ist. Und nun näht sie wieder und zeigt anderen, wie das sinnbringende Sticheln denn so geht. Die Frauen, die zu ihr kommen, die erscheinen in der Regel nicht, um kostensparende Resteverwertung zu erlernen, auch nicht unbedingt, wie man Kinderkleidung preiswert renoviert. Die wollen etwas Neues gestalten: In der ersten Stunde als „blutige“ Neulinge meist eine Serviette, ein Kopfkissen. Aber dann wird es schon anspruchsvoller.

Es gibt auch Themenkurse. Da werden beispielsweise Schultüten hergestellt. Alles für den normalen Gebrauch.

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