Neuss Zwischen Hafen, Markt und Vater Rhein

Neuss · Im Rahmen des "Reportertauschs" ist Malte Schlaack in Neuss zu Gast. Er ist das erste Mal in der Stadt. Und so macht er sich auf den Weg, seine kurzfristige Heimat am Niederrhein auf zwei Rädern zu erkunden.

 Ruhepol I: Am Rhein lässt es sich nach einer langen Radtour ganz hervorragend entspannen.

Ruhepol I: Am Rhein lässt es sich nach einer langen Radtour ganz hervorragend entspannen.

Foto: Malte Schlaack

Meine Gaststadt startet mit einem großen Bonuspunkt, für den sie eigentlich gar nichts kann. Bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen bekommt nahezu jeder Ort ein positives Gesicht. Ich bin mir allerdings sicher, dass Neuss auch schön sein kann, wenn kein Kaiserwetter ist. Aber das nur vorab.

 Blick immer voraus: Auf dem Pedelec durch Neuss.

Blick immer voraus: Auf dem Pedelec durch Neuss.

Foto: Malte Schlaack

Neuss ist ungefähr so groß wie meine Heimat Osnabrück. Ich entscheide mich, die Stadt nicht zu Fuß zu erkunden, sondern mit dem Pedelec. So startet meine Tour mit dem elektronisch betriebenen Fahrrad in Norf. Nicht ganz zentral, aber ich will ja auch was sehen. Auf dem Weg in die Innenstadt ist das vor allem eins: Grün. Entlang des Norfbachs und der Erft wird gleich das Klischee widerlegt, dass in der Rhein-Ruhr-Metropolregion alles vollgebaut ist und eine Stadt neben der anderen liegt. Nach rund 20 Minuten erreiche ich das Obertor. Ich habe mich zwar bewusst vorher nicht groß vorbereitet und mir eine Liste mit Orten gemacht, die ich besuchen muss, erinnere mich aber an einen Expertenrat.

 Prächtiger Bau: Das Quirinus-Münster beeindruckt.

Prächtiger Bau: Das Quirinus-Münster beeindruckt.

Foto: Malte Schlaack

Tags zuvor habe ich bei meinem ersten Einsatz für die NGZ Bürgermeister Reiner Breuer getroffen. Er muss es ja am besten wissen, habe ich mir gedacht, und habe den ersten Neusser gefragt, was ich in der Stadt unbedingt sehen muss. Für den Anfang rät er mir, das Quirinus-Münster zu besuchen und mich auf den Markt zu setzen, etwas zu trinken und so Leute kennenzulernen. Gesagt, getan. Was dann kommt, überrascht mich zum einen, auf der anderen Seite aber auch irgendwie nicht. Egal mit wem ich spreche, eine sonderlich hohe Meinung von Neuss hat eigentlich niemand. Wenn ich aber genauer darüber nachdenke, ist das oft so. Die eigene Stadt macht man gerade Fremden gegenüber gerne schlecht. Ob aus Bescheidenheit oder um Erwartungen zu drosseln, ich weiß es nicht.

 Rückkehr: Kurz landete der Reporter in Düsseldorf, kam aber schnell wieder.

Rückkehr: Kurz landete der Reporter in Düsseldorf, kam aber schnell wieder.

Foto: Malte Schlaack

Neuss macht auf mich jedenfalls einen guten Eindruck. Allerdings bin ich scheinbar zum falschen Zeitpunkt hier - oder besser gesagt etwas zu früh im Jahr. "Zum Schützenfest musst du hier sein. Da drehen alle durch", sagt mir Andreas, den ich auf dem Markt treffe. Es ist nicht das einzige Mal, dass ich das höre, und so bekomme ich den Eindruck, dass das Bürger-Schützenfest hier größer ist als Karneval. Kaum zu glauben. In diesem Zusammenhang ist den Neussern dann auch noch etwas ganz wichtig: Ihr Schützenfest ist das größte der Welt und nicht das in Hannover. Auch wenn die Niedersachsen das immer so verkaufen. Bei dem gezeigten Enthusiasmus glaube ich das gerne.

 Industrieromantik: Blick auf den Neusser Hafen.

Industrieromantik: Blick auf den Neusser Hafen.

Foto: Malte Schlaack

Auf dem Weg vom Markt zum Münster wundere ich mich dann über einen doch merkwürdigen Geruch. Dieser schwankt irgendwo zwischen Großküche am Sauerkrauttag und der Umkleidekabine eines Kreisligisten, angenehm ist jedenfalls etwas anderes. Dass der Hafen daran schuld ist, erfahre ich kurz danach. Kein Wunder, denke ich mir. Ein Hafen, in dem auch wirklich noch gearbeitet wird, direkt neben der Innenstadt, ist ja auch etwas Besonderes. Ob sonderlich erstrebenswert oder nicht, sei einmal dahingestellt. Immerhin scheint es der Wirtschaft und damit auch der Stadt nicht ganz schlecht zu gehen. Im Hafen ist jedenfalls jede Menge los und ich muss mit meinem Fahrrad aufpassen, um im wahrsten Sinne des Wortes nicht unter die Räder zu kommen.

 Ruhepol II: Nicht so groß wie der Rhein, aber auch idyllisch: Die Erft.

Ruhepol II: Nicht so groß wie der Rhein, aber auch idyllisch: Die Erft.

Foto: Malte Schlaack

Wo ein Hafen, da auch Wasser, kombiniere ich blitzschnell. Wenn man aus einer Stadt kommt, dessen Fluss Hase heißt (wohlgemerkt DIE Hase), kennt man sich mit großen Strömen nicht so aus. Vorgenommen hatte ich mir zu Anfang nicht viel, aber Vater Rhein muss ich natürlich einen Besuch abstatten. Ich fahre also den Hafen entlang, bis ich ans Wasser komme. Doch, oh Schreck, bin ich auf einmal gar nicht mehr in Neuss, sondern schon in Düsseldorf. Geht nicht, denke ich mir, wenn schon, will ich den Rhein auch in meiner kurzfristigen Heimatstadt sehen. Am Zufluss von der Erft in den Rhein setze ich mich auf eine Bank und genieße die Ruhe, die so ein großer Fluss tatsächlich ausstrahlen kann.

Es ist der letzte Punkt auf meiner 30 Kilometer langen Tour durch die Heimat auf Zeit. Nach deren Ende fällt mir auf, was ich alles nicht gesehen habe. Die Galopprennbahn oder der Blutturm sind dabei nur zwei Punkte auf der imaginären Liste. Und natürlich die legendäre Skihalle, von der ich auch vor meinem Besuch schon gehört hatte. Aber bei strahlendem Sonnenschein und mehr als 20 Grad hat Neuss eben auch noch viele andere spannende Dinge zu bieten. Macht nichts, denke ich mir. Spätestens zum Schützenfest muss ich ja sowieso wiederkommen. Den Termin habe ich schon rausgesucht. Vom 24. bis 28. August heißt es dann vielleicht: Auf ein Neues, Neuss!

(NGZ)
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