Neuss „Ostern als Glaubensbekenntnis“

Neuss · An Ostern gedenken katholische und evangelische Christen der Auferstehung Jesus Christus. Traditionell gehört zu diesem Fest, das den Neubeginn des Lebens feiert, ein Osterspaziergang. Die NGZ hat sich mit den Pfarrern Hans-Günther Korr und Hermann Schenck auf den Weg gemacht.

 Hans-Günther Korr (li.) und Hermann Schenck im Gespräch beim Osterspaziergang im Neusser Stadtgarten.

Hans-Günther Korr (li.) und Hermann Schenck im Gespräch beim Osterspaziergang im Neusser Stadtgarten.

Foto: Woitschützke, Andreas

Auf den Wiesen des Stadtgartens stehen gelb die Osterglocken, Kirschbäume blühen in sanftem Rosa, und ein Kaninchen flitzt vorbei an Hans-Günther Korr und Hermann Schenck. Die beiden Pfarrer stehen auf der Brücke im Neusser Rosengarten, lachen über den vermeintlichen Osterhasen an diesem Frühlingstag. Denn es geht um Ostern an diesem Treffen im Stadtgarten, es ist ein Gespräch über Bräuche, Traditionen, Erlebnisse.

Über katholische und evangelische Sichtweisen, über Gleiches und Verschiedenes, mehr über das, was verbindet als das, was trennt. Denn die Ökumene, das wird im Laufe dieses Osterspaziergangs klar, ist ein Anliegen sowohl von Hermann Schenck, Superintendent der Evangelischen Kirche Gladbach-Neuss, als auch von Hans-Günther Korr, Dechant des Dekanats Neuss-Kaarst. "Wir können voneinander lernen", sagt Katholik Korr, der mit seinem evangelischen Gegenüber gemeinsam lachen, aber auch nachdenklich sein kann an diesem Frühlingstag.

Traditionen aufrecht erhalten Oft fällt in diesem Gespräch der Satz "ach, das macht ihr auch so?", etwa als Hermann Schenck erzählt, beim Gottesdienst in seiner Gemeinde, der Trinitatiskirche Rosellerheide, auch schonmal den einen oder anderen Witz erzählt zu haben — um die Tradition des Osterlachens, das den Tod als Verlierer verspottet, aufrecht zu erhalten. "Das gibt es bei uns auch", sagt Korr. Der Osterhase ist mittlerweile aus dem Blickfeld verschwunden, und Korr und Schenck, die über die Wege entlang grüner Wiesen spazieren, sind sich einig, dass für die Kirchen weniger der Hase, als die blühenden Blumen und die erwachende Natur Symbol sind für das Osterfest. "Sie repräsentieren das Leben", sagt Korr, und Schenck zitiert aus der aus der Liturgie der Osternacht: "Aus der Nacht in den Tag, durch Dunkel zum Licht, vom Tod zum Leben." Ostern, das ist für beide Pfarrer das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu. "Es ist das höchste Fest für alle Christen", sagt Hans-Günther Korr, der in diesen Tagen nicht nur den Neubeginn des Lebens feiert, für den das Osterfest steht, sondern sich vorher besinnt.

Nämlich um dem Karfreitag und dem heutigen Karsamstag "ihr Recht zu lassen", wie Korr es formuliert. "Heute sollten wir uns bewusst machen, dass Jesus im Grab liegt", sagt der Pastor. "Er war dort unten, das dürfen wir nicht vergessen." Und auch Schenck betont die besondere Rolle der Karwoche, insbesondere des Karfreitags, der nach wie vor für die Evangelische Kirche als höchster Feiertag gilt. "Die Herausforderung ist, den Karfreitag von Ostern her zu verstehen", sagt Schenck, der wie Korr dazu aufruft, beide Seiten, nämlich Leid und Freude dieser Feiertage, im Blick zu behalten. "Ostern erinnert an die eigene Sterblichkeit", sagt Schenck. "Die Freude daran, den Tod zu überwinden, kann ich erst dann in ihrem voll Ausmaß empfinden, wenn mir die eigene Sterblichkeit bewusst ist".

Die beiden Pfarrer sitzen mittlerweile auf einer weißen Bank im Stadtgarten. Hans-Günther Korr zitiert die Osterbotschaft von Johannes: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der lebt, und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben." Ein tröstlicher Gedanke zu Ostern, und — so sieht es Schenk — die Kernbotschaft der Bibel: "Fürchtet euch nicht." Dass Jesus die Schuld der Menschen auf sich nahm, ein Opfer brachte für die Menschheit am Kreuz, das bewegt beide Geistliche und regt zur Diskussion an. "Denn das Bild von Jesus als Sühnopfer, dessen Blut die Sünden vor Gott reinwäscht, ist umstritten", sagt Schenck. Zu grausam und einseitig empfinde er das, erzählt der Pfarrer. "Jesus bringt sich selbst zum Opfer und Gott ist in seinem Leiden anwesend und leidet mit ihm", meint er. Für seinen Gegenüber Korr ist die Überwindung des Leids entscheidend. "Jesus holt uns Kraft seines Leidens aus jeder Depression", sagt der Pastor.

Diese Kraft trage die Gläubigen genauso wie der Glaube an die Auferstehung, die an Ostersonntag und Ostermontag gefeiert wird. Das Symbol für die Auferstehung Jesu ist das Licht der Osterkerze, das sowohl in evangelischen als auch in den katholischen Kirchen in der Dunkelheit der frühen Morgenstunden des Ostersonntags entfacht wird. "Eine wunderbare Tradition", findet Schenck, für den Ostern auch ein Familienfest ist — wenn das frühe Aufstehen seinen drei Kindern auch nicht immer passt. "Jetzt wo sie älter sind, lässt das Schimpfen darüber aber nach", erzählt er schmunzelnd. Gleich ist in beiden Kirchen auch der Brauch, in der Osternacht Erwachsene zu taufen. Schenk und Korr, die gerade das Wasserspiel im Rosengarten bewundern, stellen fest, dass sogar die Uhrzeiten ihrer Gottesdienste an diesen Tagen übereinstimmen.

Die Taufe, auch sie ist ein Symbol für den Neuanfang, den Neubeginn des Lebens als Christ. "Deswegen werden im gesamten Jahr alle Taufkerzen an dieser Osterkerze entzündet", erklärt Korr — ein Brauch, dem auch die evangelischen Kirchen folgen. Die Traditionen zu Ostern, die vielen Symbole und Zeichen, das schätzen beide Geistliche an diesen Feiertagen, weil sie die "frohe Botschaft vom Leben den Menschen näherbringe. "Ostern ist viel mehr als Weihnachten das Fest des Glaubens, ein Glaubensbekenntnis", sagt Hermann Schenck.

Und es sei auch Anlass, über Gemeinsamkeiten dieses Bekenntnisses nachzudenken. "Ökumene beginnt an der Basis", davon sind beide Pfarrer überzeugt. "Wir sollten uns nicht in der Abgrenzung definieren, sondern im gemeinsamen Glauben an Jesus Christus", sagt Korr, und Schenck stimmt ein: "Die Einheit der Kirche in versöhnter Verschiedenheit ist das Ziel", meint er. Gleichzeitig dürfe angesichts solcher Überlegungen nicht die Nähe zu den Menschen verloren werden. "Die Kirchen beschäftigen sich zu oft mit sich selbst, mit ihren Strukturen und Problemen", meint Schenck. "Dabei müssen sie auf die Gläubigen zugehen und Volkskirche sein."

Wie das funktionieren kann, dafür hat Pfarrer Korr bei diesem Spaziergang ein gutes Beispiel parat — denn er begrüßt den Frühling jedes Jahr gemeinsam mit seiner Gemeinde St. Thomas Morus beim traditionellen Emmausgang am Ostermontag. "Eine tolle Idee", findet Hermann Schenck, der unterdessen den Ausgangspunkt der kleinen Wanderung, die weiße Brücke, wiederentdeckt hat. "Brücken verbinden", meint Hans-Günther Korr. Beide Pfarrer wollen Brückenbauer sein: hin zu den Menschen, aber auch zwischen den Konfessionen. So kann Ostern auch ein Neubeginn dafür sein, aufeinander zuzugehen. Und das nicht nur bei einem österlichen Spaziergang im Park, sondern jeden Tag, im Glauben an den Einen Gott.

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