Pfarrer Heinz-Albert Schmitz Über Auferstehung

Krefeld · Ein Gespräch zu Ostern.

 "Es mag sein, dass die Kirche in der Moderne in der Gefahr steht, das, was über das Zeitliche hinausgeht, zu wenig zu betonen": Pfarrer Heinz-Albert Schmitz (61 Jahre), geboren in Aachen. Kaplan war er in Nettetal-Kaldenkirchen, dann tat er seinen Dienst in der Region Kempen-Viersen, unter anderem als Religionslehrer, Jugendseelsorger und Regionaldekan. 1998 wechselte er nach Aachen ins Bischöfliche Generalvikariat und wurde 2004 Domkapitular im Kapitel der Kathedralkirche zu Aachen. Im Oktober 2017 wechselte er nach Krefeld.

"Es mag sein, dass die Kirche in der Moderne in der Gefahr steht, das, was über das Zeitliche hinausgeht, zu wenig zu betonen": Pfarrer Heinz-Albert Schmitz (61 Jahre), geboren in Aachen. Kaplan war er in Nettetal-Kaldenkirchen, dann tat er seinen Dienst in der Region Kempen-Viersen, unter anderem als Religionslehrer, Jugendseelsorger und Regionaldekan. 1998 wechselte er nach Aachen ins Bischöfliche Generalvikariat und wurde 2004 Domkapitular im Kapitel der Kathedralkirche zu Aachen. Im Oktober 2017 wechselte er nach Krefeld.

Foto: Thomas Lammertz

Heinz-Albert Schmitz (61) ist seit dem 1. Oktober 2017 - zusammen mit Pfarrer Heinz Wans - Pfarrer der Pfarrei Papst Johannes XXIII. mit der Stadtkirche St. Dionysius. Wir sprachen mit ihm darüber, worum es bei Ostern eigentlich geht.

Glauben die Leute noch an die Auferstehung?

Schmitz Es mag sein, dass die Leute das Wort nicht benutzen würden. Aber meiner Erfahrung nach gibt es eine große Sehnsucht nach Leben, neuem Leben, Verlebendigung. Man kann wohl beobachten, dass der Glaube an ein Leben nach dem Tod rapide abgenommen hat.

Kann man dann nicht einpacken? Steht und fällt damit nicht das ganze Neue Testament? Ohne Auferstehung ist Jesus bestenfalls eine interessante historische Persönlichkeit.

Schmitz Die Osterbotschaft sagt zunächst einmal: Das Grab ist leer.

Heißt das, die Auferstehung steht schon neutestamentlich in Frage?

Schmitz Es gibt jedenfalls keinen objektiven Beweis. Es gibt Zeugen, wie die Frauen, die zuerst am Grab waren, es gibt die Emmaus-Jünger, die sagen, sie haben eine Erfahrung gemacht, wonach der, der am Kreuz gestorben ist, nicht bei den Toten geblieben ist. Wie sie diese Erfahrung gemacht haben - ob das wirklich der dritte Mann auf dem Weg nach Emmaus war -, ist nicht historisch zu klären.

Das klingt sehr defensiv. Die Botschaft im Neuen Testament ist da doch klar: Jesus war tot und dann nicht mehr tot.

Schmitz Auch heute geht es um die christliche Botschaft: Mit dem Tod ist nicht alles vorbei, der Tod ist eine zweite Geburt; und wie bei einer Geburt üblich, gehen ihr die Wehen voran. Heißt: Ein Mensch muss auf dem Weg zur Grenze, die Zeit und Ewigkeit trennt, auch noch Einiges tragen. Christen glauben, dass sich Gott für uns Menschen im Durchgang durch diesen Tod als treu erweist, uns in Jesus Christus empfängt und neues Leben schenkt.

Spürbar ist eine gewisse Scheu, sich das näher vorzustellen und es auszusprechen. Sogar Paulus, der ja historisch am nächsten dran ist an Jesu Leben, hat in seinen Briefen nur knapp vermerkt, dass Christus zuletzt auch ihm erschienen sei. Schade, dass er diese Erscheinung nicht näher beschrieben hat. Wäre sicher interessant für die Nachwelt gewesen.

Schmitz (lacht) Daran hat er wohl nicht gedacht. Bei mir gibt es jedenfalls jene Scheu. Mag sein, dass man bei Bibel TV auch sehr konkrete Vorstellungen vermittelt bekommt. Für Paulus ist in der Apostelgeschichte das Damaskus-Erlebnis überliefert: der Anruf "Saul, Saul, warum verfolgst du mich." Das wird schon auf sein Erleben zurückgehen. Im Kern ist klar: Alles steht und fällt mit der Christus-Beziehung. Der christliche Glaube ist nicht Glaube an Wahrheiten, sondern Glaube an eine Person. Wenn der Glaube sich reduziert auf irgendwelche Wahrheiten oder vermeintliche Objektivitäten, dann ist er nicht lebendig.

Dennoch stellen wir uns dieses Sein nach dem Tod doch irgendwie vor.

Schmitz Ja, aber es bleibt eine Qualität, für die es keine Analogie in der Welt gibt. Paulus spricht von einer völlig neuen Gestalt - so wie ja unsere alte Gestalt, unser Leib mit dem Tod in organische Kreisläufe zurückfällt und vergeht.

Es gibt so schöne Formulierungen über das Leben nach dem Tod wie Heimgehen zu Gott. Bei näherer Betrachtung bleiben sie allerdings unkonkret; es geht eher um eine existenzielle Befindlichkeit wie Heimat.

Schmitz Ja. Oder um Zusagen wie: Du gehst nicht verloren. Die Sprache bleibt vorsichtig und zurückhaltend bei dem Versuch auszusprechen, wie uns eine neue Weise des Lebens erwartet.

Wenn Auferstehung von vielen nicht mehr nachvollzogen wird und auch im Leben der Kirche nicht an erster Stelle steht: Was ist an ihre Stelle getreten? Innerweltliche Utopien von einer besseren Welt? Ist die Kirche eine eher irdische Ethik-Agentur geworden?

Schmitz In der Dogmatik hat sich da nichts verändert; da gilt unverändert der Satz des Paulus, dass der Glaube tot ist, wenn der Glaube an die Auferstehung tot ist. Ich glaube allerdings schon, dass im konkreten Vollzug der Kirche von heute der Glaube an die Auferstehung und die Frage, wie wir uns das vorzustellen haben, eher zurückgetreten ist zugunsten von Fragen, wie wir in der Welt und in unserer Zeitlichkeit Leben fördern können. Es hat dazu in der Kirchengeschichte immer Wellen mit unterschiedlichen Betonungen gegeben.

Daran hängt andererseits oft der Vorwurf, die Kirche kümmere sich heute zu viel um Innerweltliches und zu wenig um die Ewigkeit.

Schmitz Na ja, es geht bei Ewigkeit um die geistliche Dimension des Lebens, um das Übernatürliche, um Transzendenz und das, was über das Zeitliche hinausgeht; es mag sein, dass die Kirche in der Moderne in der Gefahr steht, das zu wenig zu betonen.

Es mutet seltsam an, dass die Leute eher bereit zu sein scheinen, an so etwas Schwieriges wie die Seelenwanderung zu glauben als an die Auferstehung. Treibt Sie das nicht zur Verzweiflung?

Schmitz Es gibt den Trend, dass Leute sich eine Patchwork-Religion zusammenstellen und sich aus den verschiedensten Quellen etwas als Lebenshilfe zusammenbasteln. Und in der Tat ist das Thema Auferstehung für heutige Menschen eher an den Rand gerückt. Meiner Erfahrung nach werden diese Fragen verstärkt zum Thema, wenn man auf die Grenze des Lebens zugeht. Dann brechen Fragen wie "Darf ich noch ewas erwarten, darf ich noch etwas erhoffen?"auf. Das ist übrigens auch bei Menschen so, die zeitlebens geglaubt haben.

Muss die Kirche dagegen ankämpfen und Ostern stärker betonen?

Schmitz Ostern ist ja nicht nur der Ostermorgen. Es geht auch um den Weg zum Kreuz, den Jesus gegangen ist, es geht um Einsamkeit, Verlassenheit, Schmerz, Leid, Todesnot und Gottesferne. Hier finden sich viele Anknüpfungspunkte an unsere irdischen Erfahrungen; daran hängt dann die Botschaft von einem Durchbruch zu einem neuen Leben. Insofern betont, wer Ostern betont, immer auch den Weg dorthin. Insofern würde es nicht funktionieren, Ostern quasi isoliert zu betonen.

Werden die Ostergottesdienste eher leerer oder eher voller?

Schmitz Also Weihnachten ist voller. Das hat auch viel mit Gefühlen, mit Familie und Geborgenheit in der dunklen Jahreszeit zu tun. Das alles spricht die Seele sehr an. Das Fest der Auferstehung spricht die Menschen nicht so sehr an.

Was ist für Sie wichtiger: Ostern oder Weihnachten?

Schmitz Ganz klar Ostern.

Wie halten Sie es in Ihren Predigten? Betonen Sie die Auferstehung?

Schmitz Aber ja; das entspricht meiner Glaubensüberzeugung. Ideal ist es, wenn ein Prediger mit einer Gemeinde durch die Karwoche den Weg auf Ostern zugehen kann - über Gründonnerstag und Karfreitag zu Ostersonntag.

Und wenn nun die Frage kommt: Wie wird es denn nun nach dem Tod?

Schmitz Das kann ich nicht beantworten, und ich finde es auch richtig, dass wir das nicht beantworten können.

Eine Zumutung des Schöpfers für sein Geschöpf, möchte man manchmal meinen. Man kann die Welt ebenso als tote Materiemaschine lesen wie als Gottes Werk.

Schmitz Ja. Am Ende hängt alles daran, ob man den Sprung in den Glauben wagt. Das bleibt uns nicht erspart.

Vielleicht noch eine Frage zu Krefeld: Wie haben Sie sich eingelebt?

Schmitz Krefeld ist eine Stadt der Ungleichzeitigkeiten. Ich habe 20 Jahre in Aachen im Generalvikariat in einem vertrauten bürgerlichen Milieu gearbeitet. Hier kommt man gerade im Zentrum mit ganz anderen Lebenssituationen zusammen. Die Kontraste sind weitaus größer: Sie haben eine großbürgerliche Klientel, aber auch Armut und sehr bunte, teils fragmentarische, teils zerstörte Familienstrukturen. Man erlebt hier eine Form von Ehrlichkeit des Lebens, die ich vorher nicht so gekannt habe.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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