Mehr Anträge zur doppelten Staatsbürgerschaft in Neuss Mit Einbürgerung gegen die Brexit-Folgen

Neuss · Der Engländer Michael Nolan lebt seit 1982 in Neuss. Nach dem Brexit-Referendum hat er die doppelte Staatsbürgerschaft beantragt.

 Michael Nolan zeigt seine Einbürgerungsurkunde. Er bleibt damit trotz Brexit weiter EU-Bürger.

Michael Nolan zeigt seine Einbürgerungsurkunde. Er bleibt damit trotz Brexit weiter EU-Bürger.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

Man merkt Michael Nolan an, dass ihm das, was in England geschieht, wehtut. „Ich habe noch Geschwister dort, und sie trifft der Brexit ja viel direkter als mich“, sagt der 64-Jährige, der aus Essex stammt. Seit 1976 lebt Nolan in Deutschland, seit 1982 ist er in Neuss zu Hause. Er lebt in Norf und arbeitet als Anwendungstechniker für Kennzeichnungssysteme in der Klebstoffsparte bei 3M. Deutschland ist längst seine neue Heimat, auch wenn Nolan noch jedes Jahr nach England reist, zum Beispiel über die Weihnachtstage. Aber was, wenn er kein EU-Bürger mehr ist? Nach dem Brexit-Referendum stellten sich plötzlich Fragen um Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis oder die Freizügigkeit. Michael Nolan entschloss sich, die Einbürgerung zu beantragen. Inzwischen besitzt er auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Zahl britischer Staatsbürger, die einen Antrag auf Einbürgerung stellen, ist laut Statistischem Bundesamt seit dem Brexit-Referendum rapide angestiegen. Das zeigt sich auch in Neuss. 2016 gingen im Bürgerbüro 20 Anträge auf Einbürgerung ein, 2017 waren es neun, 2018 dann 23 und in diesem Jahr bereits schon wieder neun. Zum Vergleich: 2014 und 2015, in den Jahren vor dem Referendum, ging jeweils ein Antrag auf Einbürgerung ein.

Insgesamt leben in Neuss rund 200 britische Staatsbürger. Dass eine Einbürgerung bei vielen von ihnen ein großes Thema ist, betont auch Michael Nolan. Zumal die Zeit drängt. „Es ist gesetzlich vorgegeben, dass Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten der EU mit doppelter Staatsangehörigkeit eingebürgert werden“, erklärt Nicole Bungert, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Neuss. Kommt es zu einem Brexit ohne Austrittsabkommen mit der EU („No Deal“), endet die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens, Stichtag ist der 30. März 2019. Bis dahin sollten die Anträge eingehen, sonst müsste im Falle eines No-Deal-Brexit bei einer Einbürgerung die britische Staatsangehörigkeit abgegeben werden. Kommt es hingegen doch noch zu einem Austrittsabkommen mit der EU, soll eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 eingeräumt werden. So sieht es die derzeitige Regelung vor.

Wer sich einbürgern lassen möchte, muss verschiedene Voraussetzungen erfüllen und Unterlagen vorweisen, dazu zählen ein gültiger Pass, Geburtsurkunde, ein Arbeitsvertrag und Gehaltsnachweise – auch des Ehepartners – der letzten drei Monate. Und natürlich müssen staatsbürgerliche Kenntnisse und Sprachkenntnisse nachgewiesen werden. Michael Nolan hat all das erbracht, dazu zählten auch ein Deutsch-Test und ein kleines Diktat. Eine Prüfung, der er sich gern unterzogen hat, und die nach mehr als vier Jahrzehnten in Deutschland auch kein Problem war. Mit der Einbürgerung schließt sich für ihn gewissermaßen ein Kreis, wenn auch auf durchaus bittere Art und Weise.

Zum 1. Januar 1973 traten die Verträge über den Beitritt Großbritanniens in die Europäischen Gemeinschaften (EG), aus denen die EU hervorging, in Kraft. Im Jahr bevor Nolan nach Deutschland zog, gab es das erste Referendum im Vereinigten Königreich über den Verbleib in der EG. 67,2 Prozent der Wähler stimmten damals für ein Ja. Michael Nolan hätte nie gedacht, dass sich daran etwas ändert. Auch wenn er weiß, dass in Großbritannien ein Riss quer durch die Gesellschaft geht, hat ihn 2016 das „No“ zur EU überrascht. „Allein die Frage mit In or Out war unspezifisch“, sagt er. „Das war nur ein Slogan, aber es gibt nach wie vor kein Konzept oder Programm.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort