Redaktionsgespräch Jörg Jubelt „Ohne Haus Erholung wären wir heimatlos“

Mönchengladbach: · Der Vizepräsident der Gesellschaft über die Veranstaltungen, den Wunsch nach Wachstum und den möglichen Verkauf des Hauses Erholung.

 Haus Erholung soll verkauft werden. Dagegen regt sich Widerstand.

Haus Erholung soll verkauft werden. Dagegen regt sich Widerstand.

Foto: FDP/Finger

Herr Jubelt, die Gesellschaft Erholung gibt es seit mehr als 200 Jahren. Wie viele Mitglieder haben Sie aktuell?

Jubelt Weniger als wir uns wünschen würden. Zum 200. Jubiläum hatten wir noch 300 Mitglieder, jetzt nur noch weniger als die Hälfte. Die Altersstruktur hat sich verändert. Die Mitglieder sind im mittleren Alter oder älter. Früher war das anders, da war praktisch die ganze Familie Mitglied, die Kinder kamen mit den Eltern zu den Veranstaltungen.

Die Gesellschaft Erholung galt einmal als elitär. Wer kann heute bei ihr Mitglied werden?

Jubelt Jeder, der möchte. Man kann rein schnuppern, bei einigen Veranstaltungen zu Gast sein und sich dann entscheiden. Es gibt auch kein Paten-System mehr. Man füllt einen Antrag aus und wird Mitglied.

 Jörg Jubelt ist Vizepräsident der Gesellschaft Erholung: Er lehnt den Verkauf ab.

Jörg Jubelt ist Vizepräsident der Gesellschaft Erholung: Er lehnt den Verkauf ab.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Hat ein Mitglied besondere Verpflichtungen?

Jubelt (lacht) Na ja, ein Mitglied muss seinen Beitrag zahlen. Sonst nichts. Der Jahresbeitrag kostet 155 Euro. Dafür kann man an jeder Veranstaltung teilnehmen. Man kann auch Vorschläge machen und sich einbringen. Und natürlich im Vorstand mitarbeiten, wenn man möchte.

So wie Sie. Warum sind Sie in die Gesellschaft Erholung eingetreten. Oder haben Sie die Mitgliedschaft sozusagen von Ihren Eltern geerbt?

Jubelt Nein, geerbt habe ich sie nicht. Ich lebe erst seit 2006 in Mönchengladbach und bin bei den Lions und in der Gesellschaft Erholung Mitglied, weil ich dort verankert sein möchte, wo ich lebe.

In der Chronik der Gesellschaft Erholung heißt es, im Kern sei es das wirtschaftliche Interesse von Kaufleuten und Unternehmern gewesen, das den Anstoß zur Gründung gab. Ist das heute auch noch so?

Jubelt Ganz und gar nicht. Unter unseren Mitgliedern sind Unternehmer und Selbstständige, aber auch Angestellte, so wie ich. Das Ziel der Gesellschaft ist ausdrücklich Geselligkeit, also die Durchführung oder der gemeinsame Besuch von Veranstaltungen.

Welche Veranstaltungen stehen denn bei Ihnen auf dem Programm?

Jubelt Es gibt ein paar Fixpunkte. Wir fahren jedes Jahr am Wochenende vor Rosenmontag gemeinsam nach Köln, um Karneval zu feiern. Außerdem feiern wir im Oktober das Stiftungsfest und laden im Dezember zum Weihnachtskonzert ein. In diesem Jahr wird übrigens der Gospelchor Family of Peace auftreten. Außerdem waren wir in der letzten Zeit beispielsweise bei der Bolten Brauerei in Korschenbroich oder bei der Rheinischen Post in Düsseldorf-Heerdt. Das waren sehr erfolgreiche Veranstaltungen.

Mit dem Namen Gesellschaft Erholung verbindet man in Gladbach vor allem das Tanzen. Die Bälle waren legendär. Warum finden sie nicht mehr statt?

Jubelt Wir haben den Nikolausball vor einigen Jahren schweren Herzens eingestellt, weil einfach nicht genug Anmeldungen vorlagen, damit sich die Veranstaltung trägt. Ein Ball hat Fixkosten im oberen vierstelligen Bereich. Da sind sechzig Anmeldungen einfach zu wenig.

Über den von der Stadt angestrebten Verkauf des Hauses Erholung wird heiß diskutiert, haben sich Verwaltung oder Politik schon bei Ihnen gemeldet?

Jubelt Nein, mit uns hat noch niemand gesprochen.

Wie stehen Sie persönlich zu dem Thema?

Jubelt Persönlich halte ich nichts von einem Verkauf. Deshalb habe ich mich auch mit ablichten lassen bei der Protestaktion. Ich habe auch zum ersten Mal überhaupt eine Ratssitzung im Internet verfolgt und war über die polemische Schärfe in einigen Beiträgen doch etwas verwundert. Ich halte es nicht für Rückwärtsgewandtheit, wenn man den Erhalt des Hauses wünscht. Und als Kaufmann rate ich jedem, der meint, ein privater Investor würde preisgünstiger wirtschaften können, noch mal über das Thema nachzudenken.

Werden Sie sich dem Bürgerbegehren anschließen?

Jubelt Ja.

Haus Erholung, so heißt es, sei in sanierungsbedürftigem Zustand. Wäre ein Verkauf da nicht besser?

Jubelt Die Frage ist, warum es zu diesem Sanierungsstau kam. Ich habe in den Chroniken folgende Passage gefunden, die sich mit dem Verkauf von Haus Erholung Mitte der Achtziger Jahre an die Stadt beschäftigt: „Die Stadt wurde damals Eigentümerin eines gerade restaurierten denkmalwerten Gebäudes in vorzüglicher Lage. Umgeben von einer bemerkenswerten Grünanlage und einem Park war und ist das Haus als Tagungs-, Versammlungsstätte mit ihrer Gastronomie bestens geeignet.“ Und weiter heißt es: „Insgesamt ist der Komplex ein erheblicher Zugewinn an innerstädtischer Attraktion.“

Was würde es für Sie bedeuten, wenn das Haus Erholung, wie einige befürchten, abgerissen würde?

Jubelt Ohne das Haus Erholung wären wir heimatlos. Für Veranstaltungen mieten wir Räume an, und außerdem haben wir unser Büro und Archiv im Haus. Für uns wäre es wichtig, dass das Haus Erholung erhalten bleibt. Die Kunstwerke aus dem Gebäude, welche sich im Eigentum der Gesellschaft Erholung befinden, sind übrigens mittlerweile auf Leihbasis im Schloss Rheydt untergebracht.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Was wollen Sie tun, um wieder mehr Mitglieder zu gewinnen? Oder sind Sie mit der gegenwärtigen Mitgliederzahl zufrieden?

Jubelt Wir möchten auf jeden Fall wachsen, das hat sich der Vorstand auf die Fahnen geschrieben. Wir müssen an der öffentlichen Wahrnehmung der Gesellschaft arbeiten. Es gibt viele, die überrascht sind, dass es die Gesellschaft Erholung noch gibt. Durch unsere Veranstaltungen möchten wir Aufmerksamkeit erregen und setzen dann auch auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Außerdem wollen wir verstärkt mit anderen Vereinen und Organisationen zusammenarbeiten. Zu unserem diesjährigen Weihnachtskonzert haben wir weiter gestreut eingeladen, und das hat sich bei den Zusagen sehr positiv bemerkbar gemacht.

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