Bürgermonitor Rattenplage in Meerbuschs Gärten

Meerbusch · In der Mehrfamilienhaussiedlung am Hoterheideweg haben sich die Nagetiere hartnäckig eingenistet. Die Stadt berichtet von einem großen Anstieg der Meldungen zur Schädlingsbekämpfung.

 Rebecca Schreiber zeigt die Stellen, an denen die Ratten in ihren Garten kommen. 

Rebecca Schreiber zeigt die Stellen, an denen die Ratten in ihren Garten kommen. 

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

 Seit Ende März hat Rebecca Schreiber (27) aus Osterath ein Problem. Besser gesagt: ein Ratten-Problem. Im eingezäunten Gartenstück des Mehrfamilienhauses am Hoterheideweg haben sich die Nagetiere eingenistet. Und sobald sie sich einmal eingenistet haben, bleiben sie auch dort. „Im ganzen Garten rennen die rum. Mittlerweile ist es echt Wahnsinn, die Ratten sind sehr dreist und frech geworden, weil die sich an Menschen gewöhnt haben“, beschwert sich Schreiber. Dieses Problem verteile sich auf drei komplette Gartenparteien. Schreibers Schwester, die zwei Haustüren weiter wohnt, ist ebenfalls betroffen.

Schreiber vermutet die Ursache des plötzlichen Rattenausbruchs im Vogelhaus des Nachbarn: „Er wirft dort loses Futter rein. Kerne und Brotstücke fallen auf den Boden, die ziehen Ratten und Igel an. Die Wassertränke ist dazu ein Paradies für Ratten.“ In der Nachbarschaft habe man das Thema bereits angesprochen. Allerdings ohne Einsicht. Also hat Schreiber zum Telefon gegriffen und den Fall bei der Stadt gemeldet. Mehrmals. Denn nachdem Schreiber erstmals am 20. Mai darüber informiert hatte, rief sie am 27. Mai erneut an. Eine Woche später, am 4. Juni, erhielt die 27-Jährige eine SMS der Firma All Service, in der stand, dass „die Rattenbekämpfung auf der Straße im Auftrag der Stadt“ begonnen habe.

Ein erstes Aufatmen – fast. Denn: „Es war nie jemand hier und hat es sich angeschaut!“ Es folgt eine Odyssee, Schreiber habe mehrfach die Firma All Service angerufen und auf die Mailbox gesprochen, ohne Erfolg. Am 9. Juni hat Schreiber zuletzt mit der Stadt telefoniert und die Aussage erhalten, einen Kammerjäger auf eigene Kosten zu bestellen, wenn es ihr zu lange dauere.

Schreiber reagiert mit Unverständnis. „Das ist schon frech. Die Stadt könnte bei All Service anrufen und sie bitten, diesen Fall vorzuziehen. Hier spielen Kinder und die Ratten rennen durch den Garten, wenn man sich dort aufhält. Selbst wenn ich meinen Hund mitnehme, haben die keine Scheu mehr.“ Abends könne man gar nicht mehr gemütlich im für den Sommer hergerichteten Garten sitzen. Angepflanztes Obst und Gemüse müsse weggeschmissen werden, weil die Ratten alles anknabbern. Schreiber fordert, dass die Firma All Service einen Termin ausmacht, um sich alles anzuschauen und Ratten-Fallen aufzustellen.

Zu dem aktuellen Fall kann sich die Verwaltung nicht äußern. Aber Schreibers Erfahrung sei kein Einzelfall. „Die Rattenpopulation im Stadtgebiet ist insbesondere in den vergangenen drei Jahren mit milden Wintern und trockenen Sommern spürbar angestiegen. Das bestätigt das von der Stadt beauftragte Fachunternehmen, das belegt aber auch die stetig steigende Zahl von Meldungen aus dem Mängelmelder auf der Internetseite der Stadt“, sagt Stadtsprecher Michael Gorgs. Gingen in früheren Jahren durchschnittlich rund 300 Meldungen von Rattenvorkommen im Stadtgebiet ein, waren es in der ersten Hälfte 2020 bereits mehr als 400. „Allein in den vergangenen drei Wochen waren es rund 60. Auch Populationen in bisher nicht einschlägig bekannten Gebieten kamen dazu.“

Neben den klimatischen Veränderungen machen die Schädlingsbekämpfer die vermehrte Bautätigkeit, die die Tiere in andere Gebiete vertreiben, Essensreste, die in die Toilette geworfen werden, sowie offene Tierfutterstellen wie zum Beispiel Vogelhäuschen für die Vermehrung der Tiere verantwortlich. „Ratten sind tierische Schädlinge, die nach dem Infektionsschutzgesetz bekämpft werden müssen. Natürliche Feinde gibt es praktisch nicht“, so Gorgs. Die Stadt Meerbusch bekämpft Ratten sowohl auf öffentlichen als auch auf privaten Grundstücken und in der Kanalisation.

Die Schädlingsbekämpfer sind aus Umweltschutzgründen mittlerweile in der Wahl ihrer Gifte stark eingeschränkt. Die Mittel wirken nicht mehr so schnell und so nachhaltig. Zudem gelten Ratten als skeptisch und vorsichtig bei der Futterwahl. Ist ein Artgenosse nach etwa drei bis fünf Tagen an einem Köder verendet, wird die Stelle gemieden. „Fakt ist, dass auch bei noch so koordiniertem Vorgehen eine nachhaltige Bekämpfung der Rattenpopulationen eine kaum lösbare Mammutaufgabe bleiben wird“, sagt Gorgs.

Angesichts der jüngsten Entwicklungen habe die Stadtverwaltung ihr Vorgehen umgestellt. Bisher hat das beauftragte Unternehmen im Frühjahr und Herbst jeweils ein Drittel des Kanalnetzes pauschal mit Giftköderboxen belegt. Diese Art der Bekämpfung erwies sich langfristig als begrenzt wirksam.

Jetzt werde anders gearbeitet: Jede Rattenmeldung löst unmittelbar eine gezielte Bekämpfungsaktion vor Ort aus. Der Schädlingsbekämpfer rückt aus, prüft die Örtlichkeit und legt im Umkreis von rund 100 Metern um die gemeldete Stelle Köder aus. Auf Privatgrund kann das nur einmalig und mit Einverständnis des Eigentümers geschehen. Er entscheidet aus fachlicher Sicht, wo sich die Laufwege der Tiere befinden und Köder sinnvoll sind. Die belegten Bereiche werden wöchentlich kontrolliert. Zeigt sich nach vier Wochen kein Erfolg, wird das Prozedere wiederholt.

„Der Schädlingsbekämpfer meldet sich am Anfang und nach Abschluss der Aktion bei dem Bürger, der die Ratten gemeldet hat. Das gelingt allerdings nicht immer, weil die Zeit begrenzt und nicht jeder Betroffene jederzeit erreichbar ist“, sagt Gorgs. Bei Rebecca Schreiber ist in den vergangenen drei Monaten vom 20. Mai bis zum 19. Juni nichts passiert – obwohl man ihr eine Reaktion innerhalb von zwei Wochen versichert hatte.

Hinweis Wer Ratten auf seinem Grundstück oder auf öffentlichen Flächen bemerkt, informiert die Stadtverwaltung am besten direkt über das Umwelttelefon unter 02150 916191 oder über den Mängelmelder auf der Internetseite der Stadt unter https://meerbusch.maengelmelder.de. Die Meldungen werden systematisch abgearbeitet. Bedingt durch Corona gebe es derzeit aufzuarbeitende Rückstände.

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