Leverkusen Pianistin Olga Scheps überlistet den Konzertflügel

Leverkusen · Sie wolle das Klavier zum Singen bringen, hat Olga Scheps ihr Anliegen beschrieben. Soweit das geht, möchte man hinzusetzen. Schließlich werden die Töne auf einem Konzertflügel angeschlagen und verströmen nicht wie bei gestrichenen oder geblasenen Melodieinstrumenten.

Mit ausgefeilter Anschlagstechnik, gezieltem Pedaleinsatz und einer idealen Klangvorstellung lässt sich der große schwarze Kasten aber sehr wohl überlisten. Besucher des letzten Klavierabends der ausklingenden Spielzeit bei Bayer Kultur haben genau das erlebt und am Ende gezeigt, wie sehr sie das Spiel der jungen russischstämmigen Pianistin aus der benachbarten Domstadt beeindruckt und beseelt hat - mit stehenden Ovationen und Bravo-Rufen. Die galten zuerst der großen Wanderer-Fantasie op. 15 C-Dur von Franz Schubert, die Olga Scheps mit der nötigen Kraft und mächtiger Prägnanz eröffnete, um das Instrument gleich darauf wahrhaftig singen zu lassen. Nicht nur im ruhigeren zweiten Satz, der klebrige Schwermut vermittelte, sondern auch im Presto und den Allegro-Randsätzen als Pendant zu jener packenden Intensität, die Scheps mit dem ganzen Körper empfindet und in die Finger zu leiten versteht.

Ebenso eindrucksvoll das Finalstück, die 7. Klaviersonate B-Dur, die Sergei Prokofjew 1942 fertigstellte. Olga Scheps interpretierte das dreisätzige Werk als biografisches Vermächtnis des sowjetischen Komponisten, der wie seine Künstler-Kollegen von den Zwängen des Stalin-Systems eingeschränkt war. Verständlich ist so die Unruhe, jene grundlegende Nervosität des ersten Satzes, der die Zuhörer erfasste. Dazwischen ein leises Leiden im schmerzhaften und ausgesprochen cantablen Mittelteil, ein Lied ohne Worte, das sich dem Schicksal zu ergeben scheint. Nachdem sich zum Abschluss ein Widerstand regt, der in Angriff übergeht. Olga Scheps nahm diesen Kampf auf, der sich vom wütenden Aufbäumen bis zur völligen, aber sehr wohl kontrollierten Ektase führt. Ein hochemotionales Spiel, das die Zuhörer am Ende förmlich von den Sitzen riss.

Begonnen hatte der Abend virtuos mit der f-Moll-Fantasie op. 49 von Frédéric Chopin. Schon hier begeisterte die magische Intensität der Pianistin, die Power in den Händen hat und doch jegliches brutale Klirren zu vermeiden versteht. Als Kontrast dazu ließ sie ein zart geformtes Nocturne (Des-Dur op. 27 Nr.2) folgen, der die Gemüter auf den Charakter der Trois Gymnopédies von Erik Satie vorbereitete. Dessen in Zeitlupe übertragene Tänze verbreiteten eine müde Schwere, wie sie sommerliche Hitze verursacht. Nach dem offiziellen Programm gab sich die Pianistin sympathisch normal und brachte zur zweiten Zugabe das Smartphone mit auf die Bühne, um ein Selfie-Video von sich und den Zuschauern zu machen - mit einer kühn aufgepeppten Version von Mozarts Rondo a la turca.

(mkl)
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