Tanztheater Tatenlos im tiefen Loch

Leverkusen · Bündnis gegen Depression rüttelt mit Tanztheater auf.

 Das „tanztriebEnsemble“ machte in der Friedenskirche zusammen mit dem Bündnis gegen Depression die Krankheit sichtbar.

Das „tanztriebEnsemble“ machte in der Friedenskirche zusammen mit dem Bündnis gegen Depression die Krankheit sichtbar.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Um einer unterschätzten Krankheit mehr Sichtbarkeit zu verleihen, hat das „tanztriebEnsemble“ unter der Leitung von Monika Piechowicz gemeinsam mit betroffenen Frauen des Bündnisses gegen Depression ein aufrüttelndes Tanztheater zu dieser seelischen Krankheit kreiert. Am Samstag wurde das Stück vor rund 80 Besuchern in der Friedenskirche aufgeführt.

Eine junge Frau steht tatenlos zwischen einer Schar von Menschen, die sich, mit sich selbst beschäftigt, im Raum auf und ab bewegen: Die eine hört Musik, die andere joggt herum, eine andere beißt genüsslich in einen Apfel, während eine weitere sich beim Gehen schminkt. Alle laufen an dieser einen Person vorbei, die regungslos und mit leerem Blick gen Horizont schaut. Dann tritt sie plötzlich einen Schritt vor: „Ja, so habe ich mich das ganze letzte Jahr gefühlt“, sagt die junge Frau. „Ich habe teilnahmslos teilgenommen, war dabei, ohne richtig da zu sein. So fühlt sich Depression an.“

Die Zuschauer im Publikum blicken gebannt und scheinen – als Nichtbetroffene – langsam zu verstehen, wie es einem an Depressionen erkrankten Menschen tatsächlich geht. Denn es ist eben nicht eine vorübergehende Traurigkeit, die sich mit einem Stück Schokolade vertreiben lässt, sondern ein tiefes Loch, in das der Betroffene fällt. Grundlos, viel zu häufig aussichtslos und nahezu immer missverstanden. „Das geht schon vorüber“, lauten die gutgemeinten Ratschläge Unwissender, die auch im Stück zu hören sind. Doch eine Depression geht eben nicht vorüber, sondern muss, wie ein schmerzendes Magengeschwür oder ein Knochenbruch, behandelt werden, auch wenn es für die Außenwelt nicht sichtbar ist.

Unterbrochen werden solche Szenen, in denen schauspielerisch und sprachlich das Thema aufgearbeitet wird, von tänzerischen Collagen, die das innere Zerwürfnis deutlich machen: auf der einen Seite diese bleierne Schwere, die einen nicht aufstehen lässt, und auf der anderen der Druck, produktiv sein zu wollen oder zu müssen. Eine innere Rage, ausgedrückt in frenetischen Bewegungen zu Heavy-Metal-Musik machen diese Gefühle sichtbar.

Gut 20 Prozent der über 18-Jährigen erkranken jährlich an Depression. „Das ist jeder fünfte in Deutschland“, sagt Rita Apke vom Sozialpsychiatrischen Zentrum (spz) Leverkusen, Mitglied im Bündnis. „Etwa 60 Prozent beschäftigen sich mit dem Thema, doch nur zehn Prozent befinden sich tatsächlich in einer Behandlung.“ Gründe dafür können Unwissenheit und die drohende Stigmatisierung sein. Dagegen will das Bündnis gegen Depression, 2016 aus diversen Trägern gegründet, vorgehen.

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