Klaviermusik im Spiegelsaal Idylle und dunkle Mächte – Schuberts kleine Werke

Leverkusen · Anmutige und anrührende Klaviermusik von Franz Schubert im Spiegelsaal

 Der Pianist Dirk Joeres  spielte im Spiegelsaal des Schlosses eine Auswahl aus Schuberts kleineren Werken. 

Der Pianist Dirk Joeres  spielte im Spiegelsaal des Schlosses eine Auswahl aus Schuberts kleineren Werken. 

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Dass U-Musik einem schnellen Wechsel des Zeitgeschmacks unterworfen ist, kann jeder beobachten. Aber der vermeintlich beständigen Klassik erging es gar nicht anders. Man denke nur an Bach, dessen Kompositionen als altbacken galten, bis Mendelssohn mit der Wiederaufführung der Matthäuspassion eine Bach-Renaissance einleitete. Ähnliches Schicksal teilt das Klavierwerk von Franz Schubert. Im 19. Jahrhundert standen kernig-kraftvolle Stücke nach Art der Beethoven-Sonaten hoch im Kurs. Die empfindsamen Klavierwerke des Wiener Komponisten waren out. Das hat sich geändert, seine Zyklen Impromptus und Moments musicaux sind ein Muss für jeden Klavierschüler, der es meist nicht soweit bringt, dass man ihm so angeregt und angerührt lauschen kann wie Dirk Joeres.

Der Dirigent und Pianist aus Leverkusen nahm sich ausschließlich der Klavierwerke von Franz Schubert an beim ersten Kammermusikabend der Saison von KulturStadtLev. Im anmutigen Ambiente und angenehmer Akustik des Morsbroicher Spiegelsaals spielte er auch gerade jene kleineren Werke, die es nicht so oft in die Konzertprogramme schaffen, die aber dennoch einem größeren Kreis bekannt sind und die Schubert als Meister auf diesem Gebiet offenbaren. Mit Ausnahme des wenig vertrauten Menuett in cis (D 600) vielleicht, das zur Eröffnung erklang und mit seiner getupften Basslinie unter den verflochtenen Melodiestimmen eher ungewöhnlich erscheint. „Es klingt wie sinfonische Skizzen: Die Basstöne könnte man sich von gezupften Celli oder Kontrabässen, die Melodie darüber von Holzbläsern gespielt vorstellen“, erklärte Dirk Joeres vorab, denn ihm ist es bekanntermaßen wichtig, dass sein Publikum die Musik einordnen und somit genauer hinhören kann. Das verfolgt er gezielt an jedem „KlassikSonntag“ in der Einführungs-Matinee, die er an diesem Ort etabliert hat. Und in anderen Erklär-Formaten wie dem Schubert-Wochenende, das er kürzlich im Kloster Steinfeld veranstaltet hat, um Menschen die Musik und zugleich die Person Franz Schubert näher zu bringen. Dass alles miteinander verknüpft ist, dass persönliches Schicksal, Eigenarten und Lebensweise auch das künstlerische Schaffen beeinflussen und umgekehrt, fließt bei Dirk Joeres in seine persönliche Interpretation ein.

Tänze wurden regelmäßig bei den legendären Schubertiaden gespielt und vor allem frei und spontan improvisiert. In diesem Sinne führte Joeres auch die beiden beispielhaften Walzer vor, die er aus den beiden Zyklen Valses sentimentales, beziehungsweise nobles gewählt hatte. Was er überdeutlich nachzeichnete sind die zwei Seelen, die in Schuberts Brust miteinander rangen: die hingebungsvolle Idylle, die aber in der Regel gestört wird von den dunklen Mächten. Manchmal ganz subtil, nur mit einem unvermuteten bedrohlichen Basstriller wie im ersten Satz der Klaviersonate Nr. 21 B-Dur op. posthum D960, die Schubert zwei Monate vor seinem Tod fertig stellte. Mit diesem Spätwerk, in dem ebenfalls die ausgebreitete Ruhe und friedliche Harmonie durch Störungen konterkariert wird, ehrte Joeres im zweiten Teil Schubert als Meister der großen Sonate.

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