Karneval, bedeutender Wirtschafsfaktor im Rheinland Kamelle: Wer soll das bezahlen?

Langenfeld · Künstlergagen steigen, aber nur Top-Künstler versprechen volle Sitzungssäle. Auch Wurfmaterial muss bezahlt werden.

 Das Ex-Prinzenpaar Natascha und Dennis: Allein ihre Proklamation hat 18.200 Euro gekostet. Und die Kamelle fallen finanziell ebenfalls ins Gewicht.

Das Ex-Prinzenpaar Natascha und Dennis: Allein ihre Proklamation hat 18.200 Euro gekostet. Und die Kamelle fallen finanziell ebenfalls ins Gewicht.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

„Wer soll das bezahlen?“, ist seit 1949, als Jupp Schmitz diese Frage musikalisch stellte, für die Karnevalisten ein  alljährlich wiederkehrendes Problem. Die „Fünfte Jahreszeit“ der Rheinländer mit Sitzungen und Umzügen ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und oft ein finanzieller Kraftakt.

Sonst schlagfertige Karnevalisten werden erstaunlich schmallippig, wenn nach Details gefragt wird. Nur Helmut Schoos, Vorsitzender des Festkomitees Langenfelder Karneval, wird konkret. Die letzte Proklamation kostete – einschließlich Sitzungskapelle und Saalmiete:  18.200 Euro. Für das Sicherheitskonzept zum Karnevalszug werden 4000 Euro fällig, zuzüglich Zahlungen an Sanitätsdienste, Verkehrskadetten, Musikkapellen und die Haftpflichtversicherung in Höhe von 4100 Euro. Demgegenüber stehen Erlöse aus Eintrittskarten zur Proklamation und die Spenden der aktuell 80 Ehrensenatoren von rund 250 Euro jährlich. Dazu kommt ein Teil der insgesamt 13.000 Euro, mit denen die Stadt die drei Züge in Langenfeld, Berghausen und Reusrath bezuschusst.

„Die Proklamation ist nicht kostendeckend“, klagt Schoos, auch weil trotz (nur) 20 bzw. 25 Euro Eintritt und gutem Programm bis zu 100 Plätze leer blieben. „Die normale Bevölkerung konnten wir trotz intensiver Werbung nicht erreichen“. Nur bei steigendem Publikumsinteresse (= Mehreinnahmen) sieht der Vorsitzende eine Zukunft für diese Form der Sessions-Eröffnung. Die Komitee-Ausgaben werden seit Jahren reduziert. „Zum Beispiel  geht der Vorstand im Karnevalszug zu Fuß im Zug, um Kosten für einen Wagen und Wurfmaterial zu sparen.“

Sogar 35 Euro Eintritt bezahlen je 750 Gäste für die jeweils ein Jahr im Voraus ausverkaufte Damen- und Herrensitzung des  Richrather Karnevalsvereins Schwarz-Weiß (RKV). „Uns gelingt die Gratwanderung zwischen dem Wunsch jüngerer Gäste nach ,Party’ und der klassischen Sitzung mit Musikgruppen, Rednern, Tanzgarden und Prinzenbesuch“,  sagt RKV-Präsident Oliver Dahlhaus. Zusammen mit den 400 mal 30 Euro Eintritt für die gemeinsame Prunksitzung mit der Prinzengarde addieren sich die Einnahmen aus dem Kartenverkauf beim RKV auf rund 65.000 Euro. „Insgesamt kaum kostendeckend“, bedauert Dahlhaus und verweist neben dem nur über eine Agentur zu buchenden Spitzenprogramm auf die Auslagen für Technik, Sitzungskapelle, Gema-Gebühren und vieles mehr. „Die Künstler werden jährlich teurer“.

Nicht zu berechnen sind bei allen Vereinen die unzähligen ehrenamtlichen Stunden der Vereinsmitglieder im Umfeld der Sitzungen, vom Kartenverkauf bis zur Saalbestuhlung und Dekoration. Die Deckungslücken schließt der RKV seit langem mit Hilfe und dem Engagement aller Mitglieder beim alljährlichen Erdbeerfest.

Oliver Höhn, Schatzmeister des Vereins „Lummerland Richrath“ erlaubte beispielhaft einen Einblick in die Kalkulation einer Hobby-Gruppe, die jetzt im fünften Jahr am Karnevalszug teilnimmt. Getreu dem Motto „kunterbunt und tolerant – CO2-neutral durchs Lummerland“ wird ein Planwagen mit Muskelkraft gezogen. Die Vereinsmitglieder zahlen 22 bzw. Kinder elf Euro für die Zugteilnahme, weitere Teilnehmer können sich mit einer Spende „einkaufen“. Für eine Palette Wurfmaterial gibt es einen Einzel-Spender, 1500 Euro an Süßigkeiten werden zugekauft, und ansonsten versucht jedes Mitglied über sein persönliches Netzwerk, weiteres Wurfmaterial zu besorgen. „Bettelbriefe an Privatleute oder Betriebe schreiben wir nicht“, so Höhn. Auch die Lummerländer bekommen kleine Teile des vom Festkomitee bei Stadtsparkasse, Stadtwerken und Opel besorgten Wurfmaterials.

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