Jugendtheater in Krefeld Mobbing als Theater fürs Klassenzimmer

Krefeld · Ein ebenso wichtiges wie bewegendes Thema hat das Kreschtheater als mobile Produktion aufbereitet: Cybermobbing. „Out! – Gefangen im Netz“ ist geeignet ab Jahrgangsstufe 5. Am 27. September ist Premiere in der Fabrik Heeder.

 Mitlachen, wenn andere einen Menschen mobben, verschämt wegsehen und gar nichts tun: Wie schwierig es ist, gegen Mobbing Position zu beziehen, will das Kreschteam zeigen: (v.l.) Helmut Wenderoth, Luana Agona, Isolde Wabra, Philipp Winkler.

Mitlachen, wenn andere einen Menschen mobben, verschämt wegsehen und gar nichts tun: Wie schwierig es ist, gegen Mobbing Position zu beziehen, will das Kreschteam zeigen: (v.l.) Helmut Wenderoth, Luana Agona, Isolde Wabra, Philipp Winkler.

Foto: Petra Diederichs

Manchmal trifft Philipp Winkler auf betretenes Schweigen. Manchmal auf Unsicherheitsgekicher. Meist weiß sein Publikum ihn am Anfang einfach nicht richtig einzuschätzen. Und damit ist es schon Teil der Produktion. Das Kreschtheater hat Knut Winkmanns viel gespieltes Stück „Out! – Gefangen im Netz“ als mobiles Klassenzimmerstück in den Spielplan genommen. Thema: Cybermobbing. Am Freitag, 27. September, ist Premiere in der Fabrik Heeder. Anschließend wird das Stück vor allem in Krefelder Klassenzimmern zu sehen sein. Ab sofort können Schulen den Besuch des Kreschteams buchen. Eine 45-minütige Nachbereitung mit den Jugendtheaterleuten gehört dazu.

Die Statistik sagt, dass jeder Dritte im Laufe seines Lebens mit Mobbing zu tun hat, jeder zehnte deutsche Schüler wurde online schon gemobbt. Das Thema brannte Isolde Wabra auf den Nägeln. Die Leiterin des Kresch hat „Mut zum Leben!“ als Motto über die erste Spielzeit unter ihrer Federführung gesetzt. „Wenn früher jemand gemobbt wurde, wusste es die halbe Klasse. Heute weiß es die halbe Welt, und in 20 Jahren immer noch“, sagt sie. Das Thema hat durch die sozialen Medien eine neue Dimension erhalten.

„Wir können nicht nichts tun“, sagt Helmut Wenderoth, der das Projekt theaterpädagogisch begleitet. Es gebe Sätze und Verhaltensmuster, wie Menschen Mobbing-Situationen entschärfen können. „Man kann sich an die Seite des Gemobbten stellen, dem Anderen sagen, dass man sein Verhalten nicht gut findet, und für diese Haltung Gleichgesinnte suchen: Schon ist derjenige, der jemanden lächerlich machen will, nicht mehr der Coole. Das kann das Theater zeigen.“

Es ist ein komplexes Thema, dem niemand mit Stereotypen beikommt. Dessen ist sich Wabra bewusst, und deshalb hat sie bei „drei Vorpremieren“ im Maria-Sybilla-Merian-Gymnasium und in der Marienschule Eindrücke gesammelt, die in die Inszenierung eingeflossen sind. Für Schauspieler Philipp Winkler ist ohnehin in jeder Begegnung mit Schülern Spontanität und Übersicht gefragt. Denn die Schüler werden aktiv einbezogen. „Weil wir über René Linke einen engen Draht zum Autor hatten, konnten wir entsprechend in die Dramatisierung eingreifen“, erzählt Wabra. So sind zwei Grundfassungen entstanden, eine für Zuschauer ab 13 Jahre und eine, in der das Thema Sexualität anders aufbereitet ist, für die ab Zehnjährigen.

Die Ausgangssituation: Winkler kommt in die Klasse, gibt sich als Kommissar aus und macht klar, dass (Cyber-)Mobbing eine Straftat ist. „Nicht immer ist das allen klar. Denn oft beginnt Mobbing bei Kleinigkeiten, mit nur einer Bemerkung. Die geht ins Netz, und plötzlich wird jemand zur Zielscheibe; es wird immer mehr“, sagt Regieassistentin Luana Agona. Das Stück dreht die Perspektive: Der vermeintliche Polizist entpuppt sich als Bruder einer Schülerin, die demnächst in die Klasse kommen soll und zuvor Opfer von Cybermobbing geworden ist. „Damit trifft die Geschichte ins Herz“, sagt Wabra. Ihr ist es wichtig, dass mit „Out“ das System von Ausgrenzung und Mobbing offengelegt wird. Ihr ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen Mobbing abschaffen – zumindest in Krefeld.“

Das funktioniert besser, wenn das Theater in die Schulen geht. Luana Agano: „Im Theater ist nach dem Stück alles vorbei. Wir treffen die Schüler in ihrer gewohnten Umgebung, da hat das eine andere Wirkung.“ Ein Klassenzmmer mit leerem Lehrertisch, eine Tafel, nach Möglichkeit eine weiße Projektionsfläche und Verdunklungsmöglichkeit sind die einzigen Voraussetzungen, die die Kresch-Produktion braucht. „Gut ist, wenn die Schüler relativ unvorbereitet sind und der Einstieg ins Stück überrascht“, heißt der Rat an interessierte Lehrer. Bei den ersten Gastspielen in fünften und neunten Klassen seien die Reaktionen entsprechend unterschiedlich gewesen. „Eine Gruppe wusste nicht, dass es ein Theaterstück ist, und hat uns den Kommissar abgekauft. Eine andere, in der es bereits Mobbing gab, wusste: Es ist Theater. Aber die Schüler zweifelten, ob man ihnen da nicht doch die Wirklichkeit präsentiert und eine neue Schülerin kommen soll“, erzählt Winkler. „Und die Reaktionen und Anregungen aus den Klassen fließen in die weiteren Aufführungen ein“, sagt Wabra. So gebe es immer einen Satz, den die Schüler der nächsten Klasse mitteilen möchten.

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