Modernes Management Der Braumeister – die nächste Generation

Krefeld · Schlüffken-Braumeister Mario Röhm (28) repräsentiert eine neue Generation dieses uralten Kunsthandwerks.

 Moderne Technik, Jahrtausende alte Tradition: Braumeister Mario Röhm in der Brauerei Schlüffken am Nordbahnhof.

Moderne Technik, Jahrtausende alte Tradition: Braumeister Mario Röhm in der Brauerei Schlüffken am Nordbahnhof.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Wie tief Klischees sitzen, zeigt sich, wenn man Mario Röhm zum ersten Mal gegenübersteht. Braumeister, das sind doch die mit der Lederschürze, 50 plus x Jahre alt und versehen mit einem stattlichen Bierbauch? Mario Röhm ist schlank, 28 Jahre jung, dunkles Outfit. Erster Gedanke: Das muss der Sekretär vom Braumeister sein, der, der die Buchführung macht. Ist er aber nicht. Mario Röhm ist der Braumeister, der Krefelds neues Schlüffken-Bier braut und die nächste, die junge Generation im Biergeschäft verkörpert: Bestens ausgebildet, vertraut mit modernem Management und moderner Technik und maßvollem Genuss zugetan. Nix Bierbauch also.

 Ein Degustationsglas für Altbier: Der Geschmack will sich entfalten wie Rotwein.

Ein Degustationsglas für Altbier: Der Geschmack will sich entfalten wie Rotwein.

Foto: Jens Voss

Warum wird man heute Braumeister? In einer Zeit, in der Bier nicht mehr selbstverständlich des Deutschen liebstes Feierabendgetränk ist? „Ich habe mich schon immer für Getränke interessiert“, sagt Röhm. Woraus sie bestehen, wie man sie macht, wie der Körper sie braucht. „Getränke sind nachhaltig, getrunken wird immer“, sagt Röhm und lächelt. Das Bierbrauen ist zudem eine faszinierende Wissenschaft für sich. Wenn Röhm von seiner Arbeit erzählt, ist er schnell bei einem Fachvokabular, dem man als Laie nicht mehr folgen kann. „Die Kunst des Brauens liegt darin, die Geschmacksnote konstant zu halten“, sagt Röhm schließlich. Die Ausgangsmaterialien, Hopfen und Malz, sind mit jeder Charge etwas anders – dies muss man sauber analysieren und dann die Rezeptur anpassen.

 Schlüffken-Braumeister Mario Röhm überwacht die Brau-Anlage am Computer. In dem wochenlangen Brauprozess ist jeder Schritt entscheidend für das Gesamtergebnis. Die Herausforderung: Den Geschmack konstant zu halten.

Schlüffken-Braumeister Mario Röhm überwacht die Brau-Anlage am Computer. In dem wochenlangen Brauprozess ist jeder Schritt entscheidend für das Gesamtergebnis. Die Herausforderung: Den Geschmack konstant zu halten.

Foto: Jens Voss

Das Bier, das bei Schlüffken entstehen soll: „Das Alt hat einen zurückgenommenen Malzkörper im Einklang mit dem Hopfen, der dem Ganzen eine feine Bitternote gibt; das Bier ist also nicht malzig-süßlich“, erläutert Johannes Furth, der die Brauerei mit seiner Schwester Anne am Nordbahnhof aufgebaut hat. „Das Pils ist schlank, trocken, mit einer schönen feinen Bitternote und ausgeprägter Hopfenblume.“

Beide Biersorten haben eine Geschichte. Das Alt war generell in einer Krise, Biermixgetränke waren die Zukunft, wer den Trend verschlief, geriet geschäftlich in schwere See. Jetzt, nach 20 Jahren, wenden sich die Leute wieder dem Altbier zu, besonders Hausbrauereien, wie überhaupt regionale Hausbrauereien wie Schlüffken erfolgreich sind.

NRW liegt biergeografisch gesehen in der Mitte Deutschlands: Hier wird Alt, Pils und Kölsch getrunken, also von herb bis eher süßlich alles an Geschmacksnoten, was die Welt des Bieres zu bieten hat. Und NRW ist nach Bayern Bierbundesland Nummer 2: 2017 wurden in deutschen Brauereien 85 Millionen Hektoliter Bier gebraut, 24 Millionen in Bayern und 19 Millionen in NRW.

Die Kunst ist es, den Geschmack einer Region oder einer Stadt wie Krefeld zu treffen. „Bier braucht Heimat“, ist der Slogan, den Viktor Furth, Vater von Johannes und Anne und Erfinder des Nordbahnhofs, ausgegeben hat. Man darf ihn variieren: Bier hat Heimat; als Brauereibetreiber sollte man die regionalen Vorlieben kennen. Und Krefeld hat eine Altbiertradition.

Das Schlüffken-Alt knüpft daran an, bringt aber etwas Neues: Das Alt ist frischer als die malzigen, deutlich herben Altbiere, wie sie der Düsseldorfer mag. „Wenn es ein gutes Alt gibt, dann trinken es die Leute auch“, sagt Röhm. Es muss eben mit der Region zu tun haben. „In München“, sagt Röhm auch, „hätte ich kein Alt gebraut.“

Auch das Pils hat seine Geschichte: In Norddeutschland herrschen herbe Pilssorten vor, in Süddeutschland milde, süßere Biere: Helles und Weizenbier. Die großen Bierproduzenten haben reagiert und das Pils generell milder gemacht – „es gab eine Angleichung, um den Markt zu erweitern“, resümiert Röhm den Deutschlandtrend. Krefeld ist beides: Pils- und Altstadt. Das Schlüffken-Pils greift den Trend auf: Es ist nicht zu herb, die Bitternote bleibt elegant und zurückgenommen und wird vom Hopfen umfangen. Unverkennbar Pils, unverkennbar mit eigener Note.

Die Ausbildung zum Brauer und Mälzer dauert drei Jahre. Danach hat Röhm zwei Jahre als Geselle in einer Versuchs- und Lehrbrauerei gearbeitet, bevor er in einer zweijährigen Ausbildung seinen staatlich geprüften Brau- und Getränketechnologen machte, zusätzlich absolvierte er bei der IHK die Prüfung zum Betriebsbraumeister. Röhm, der aus Mannheim stammt, hat in München gelernt. Das Brauen einer Pils-Charge dauert sechs, das Brauen einer Alt-Charge drei bis vier Wochen, berichtet Röhm. Es sind Wochen, in denen in jedem Schritt alles schiefgehen kann.

Die groben Schritte: Aus Malz und Wasser wird die Maische hergestellt, danach wird durch das Läutern die Würze gewonnen, welche dann gekocht wird und anschließend abgekühlt, um sie dann mit Hefe anzustellen. Das Gemisch wird acht Tage lang offen vergoren. Dann kommt die Flüssigkeit in geschlossene Tanks und reift einige Tage, bis sie einige Wochen kalt gelagert wird.

Heute hilft Kollege Computer, etwa beim Kochen der Bierwürze. Die Temperaturen kann man präzise steuern. „Früher brauchte ein Braumeister viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um die Würze bei offenem Feuer bei der richtigen Temperatur zu kochen“, sagt er. Trotz Computer: Das Brauen bleibt ein komplexer Prozess: „Jede Phase ist wichtig und entscheidet über das Ergebnis“, sagt Röhm. Das wiederum verbindet ihn mit den Kollegen früherer Zeiten. Ändert man unterwegs ein bisschen, ändert sich alles. Die Kunst ist es, im wochenlangen Brauprozess immer so viel zu ändern, dass sich am gewünschten Geschmack nichts ändert. Insofern bleibt das Bierbrauen, Technik hin oder her, ein Kunsthandwerk.

 Heimatlogo-Herz_SERIE

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Foto: RP/Podtschaske , Alicia

Übrigens: Wie alt dieses Kunsthandwerk ist, macht eine Veröffentlichung des Collegium Aegyptium deutlich: Demnach gab es im alten Ägypten ein Liebeslied mit folgendem Vers: „Und wenn ich ihre Lippen küsse, dann bin ich trunken auch ohne Bier.“ Das Institut ist in München ansässig, Deutschlands Bierhauptstadt. Das kann kein Zufall sein: Gibt es eine schönere Liebeserklärung an das Bier?

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