Brecht-Aufführung im Bunker Kresch macht Theater im Bunker

Krefeld · An einem ungewöhnlichen Ort, im Bunker neben dem Cinemaxx, führt das Kreschtheater ab dem 10. Mai Bertolt Brechts Stück „Flüchtlingsgespräche“ auf. Die Veranstalter raten Besuchern, eine warme Jacke mitzunehmen.

 Regisseur Franz Mestre, Bühnenbildner Frank Andermahr, Christoph Moß (Stadtarchiv) und Sandra Franz (NS-Dokumentationsstelle, v.l.) begutachten den Bunker am Hauptbahnhof, in dem das Theaterstück aufgeführt wird.

Regisseur Franz Mestre, Bühnenbildner Frank Andermahr, Christoph Moß (Stadtarchiv) und Sandra Franz (NS-Dokumentationsstelle, v.l.) begutachten den Bunker am Hauptbahnhof, in dem das Theaterstück aufgeführt wird.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

„Der Pass ist der edelste Teil des Menschen“, so beginnt Bertolt Brechts Stück „Flüchtlingsgespräche“, das das Kreschtheater ab Freitag, 10. Mai, 19 Uhr, an ungewöhnlicher Stätte, im Bunker unter dem Cinemaxx-Parkhaus aufführt. Doch Regisseur Franz Mestre fügt in Hinblick auf die heutige Situation gleich hinzu: „Wenn es der richtige Pass ist.“

Diese Aktualität soll in der Inszenierung keine Rolle spielen. Sie soll aber sehr wohl in den Köpfen der Zuschauer mitklingen. „Wir wollen so viel Brecht belassen, dass es bei der zeitlichen Einordnung bleibt“, sagt Maestre und verweist damit auf den historischen Hintergrund des Stücks des großen Dramatikers. Die „Flüchtlingsgespräche“ schrieb der vor den Nazis geflohene und im Exil lebende gebürtige Augsburger in den frühen 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Es beschreibt Dialoge zwischen einem aus Deutschland geflohenen Intellektuellen und einem Arbeiter vor dem Hintergrund der immer weiter fortschreitenden Ausdehnung des NS-Regimes zu Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Thema ist dabei vor allem Flucht und Verfolgung,  und um dieses dem Zuschauer zu vermitteln, gehen die Theatermacher einen besonderen Weg: Sie nutzen die historische Stätte des Bunkers am Hauptbahnhof als Kulisse. Rund 60 Besucher werden zunächst im verglasten Vorraum unter dem Parkhaus Platz nehmen. „Dort werden sie von einem Gitter umgeben sein, an dem viele Zeitdokumente angebracht sind. Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, und Christoph Moß vom Stadtarchiv werden bei der Premiere eine historische Einordnung geben“, erzählt Frank Andermahr, der für das Bühnenbild verantwortlich ist.

Nach dem ersten Teil des Stückes, der eine gute halbe Stunde dauern soll, gehen die Besucher tief in den Bunker hinein. Dort erleben sie den zweiten Teil. „Aufgrund des Halls und der gewaltigen Wände ergeben sich ganz andere Eindrücke“, erzählt Mestre. Der Bunker sei dabei auch Symbol für die Zwischenwelt, in der Flüchtlinge auch heute zumeist leben. „Im Bunker habe ich eine gewisse Art von Sicherheit, bin aber zugleich gefangen und ein gutes Stück von der Außenwelt abgeschnitten“, sagt der Regisseur, und Sandra Franz erzählt: „Zum Teil sind während des Krieges Menschen im Bunker gestorben, weil sie erstickt sind. Die Sicherheit ist also nur scheinbar gegeben. So, wie es auch bei verschiedenen Anschlägen auf Flüchtlingsheime heute ist.“

Dadurch erfährt das 80 Jahre alte  Stück eine erschreckende Aktualität. Zum Gefühl der Bedrückung trägt dabei auch die Kühle im Bunker bei. Unabhängig von der Außentemperatur ist diese rund ums Jahr fast gleich. „Darum empfehlen wir auch, speziell bei hohen Außentemperaturen, eine warme Jacke mitzunehmen“, warnt Mestre.

Er selbst machte übrigens als Gebürtiger Spanier Erfahrungen mit der Ausgangsthese, der Wichtigkeit des Passes: „Ich bin auch mit mehreren Dokumenten herumgelaufen, da ich keinen deutschen Pass habe, obwohl ich in Krefeld aufgewachsen bin“, erzählt er. Eine ähnliche Situation erlebten auch die Schauspieler Franco Melis als Halb-Italiener und Fiona Metscher als Halb-Irin. „Natürlich sind unsere Erfahrungen nicht mit denen von Flüchtlingen vergleichbar. Aber es gibt schon ein Gespür dafür, welche Relevanz ein Pass hat“, sagt der Regisseur.

Gerade Jugendliche wollen die Macher erreichen. „Das Stück ist für Besucher ab etwa 14 Jahre konzipiert“, sagt Mestre. „Wir alle sind Nachfahren von Flüchtlingen“, lautet der Untertitel der Aufführung. Gerade dieses Bewusstsein wollen die Verantwortlichen bei der Jugend wecken, auch wenn familiäre Fluchterfahrungen schon länger zurückliegen.

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