Im Glocken-Turm von Mehr 50 Jahre Glocken-Beiern in Sankt Martinus

Kranenburg-Mehr · Franz van Zoggel blickt auf ein goldenes Jubiläum: seit 50 Jahren schlägt er Glocken von Hand an.

 Franz van Zoggel unter der Glocke im alten Turm von Sankt Martinus in Mehr.

Franz van Zoggel unter der Glocke im alten Turm von Sankt Martinus in Mehr.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der Nachwuchs für das Beiern im Turm der St.-Martinus-Kirche in Mehr ist gesichert. Franz van Zoggel, der auf eine 50-jährige aktive Zeit als Glockenbeierer zurückblicken kann, erfuhr nach dem letzten Auftritt der „Beierleute“, die an bestimmten festtagen die Glocken von Hand anschlagen, von seinem 11-jährigen Enkel Paul: „Opa, wenn ich Schnaps trinken darf, möchte ich auch beiern.“ Die nächste Generation ist gesichert.

„Ein Schnaps gehört dazu“, sagt der heute 70-jährige in Mehr geborene Rentner, der seit 1969 mehrmals jährlich über schmale Stufen und „Hühnerleitern“ den Turm den mittelalterlichen Turm von Sankt Martinus in Mehr erklimmt. Früher bekamen die Männer im Glockenstuhl Besuch vom Ortsvorsteher oder anderen Mehrer Bürgern, die eine Flasche Korn nach oben brachten. Beim Beiern sitzen die Männer auf einem Brett zwischen zwei Glockenhaltern, davor hängt die Glocke in ihrer Verankerung. In einem bestimmten Rhythmus schlagen sie per Hand mit dem Klöppel gegen die Innenwand der Glocke. „Dabei sind Muskeln gefragt, denn bei der großen Glocke ist der Klöppel rund 20 Kilo schwer, der bewegt werden muss“, sagt Franz van Zoggel. Gebeiert wird vor der Oster- und Pfingst-Festmesse, während der Prozession an Fronleichnam, beim Einzug der Kommunionkinder am Weißen Sonntag, bei der Firmung oder einem Bischofsbesuch, an St. Martin während des Umzuges und am Heiligen Abend von 17 bis 18 Uhr. Auch wenn einer der Beiermänner stirbt, werden die Glocken angeschlagen. Am Heiligabend waren fünf Leute im Einsatz, neben Franz van Zoggel seine Söhne Michael und Klaus, dazu Gerhard Derksen und erstmalig Markus Janßen. „Im Anfang hatten wir nur ein Wattebäuschchen in den Ohren. Heute sind wir mit Ohrenschützern und Handschuhen professionell ausgestattet“, sagt van Zoggel, der nach 50 Jahren vom Glockenbeiern Abschied nimmt.

Für den ehemaligen Elektriker begann das Beiern, als er als 20-Jähriger die Nachfolge von Jakob Vleugels, in ganz Mehr nur als „de kromme Vleugels“ bekannt, übernahm. Damit verbunden war eine lebensgefährliche Geschichte. Es gab zwei Sicherheitskästen, einen unten in der Sakristei, denn Ende der sechziger Jahre wurde das Geläut elektrifiziert. Ein Knopfdruck ersetzte seither das Ziehen der Glockenseile. Und dann geschah es doch: Man meinte, Jakob Vleugels habe seinen Platz vor der Glocke bereits verlassen, versehentlich wurde das Geläut eingestellt und „de kromme Vleugels“ hatte  einen guten Schutzengel zwischen Glocke und Glockenstuhl. Es ging gut. Das Beiern, ein jahrhundertealter Brauch, besorgte van Zoggel mit Hans Bons und Peter Dijkstra. Ab 1987 kam eine Johannes-Glocke hinzu.

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