Serie: Mein Verein Kein Aufschnitt, sondern Enteneier

Kempen · Die "Maifreunde" sind eine von drei Maigesellschaften in St. Hubert. Deren Tradition reicht bis ins Mittelalter zurück. Sie erfreuen sich der Schönheiten des Wonnemonats und würdigen sie mit einem strengen Dresscode.

 Nach einer ausgiebigen Wanderung stärken sich die St. Huberter Maifreunde in der "Waldschenke" im Schadbruch. Es gibt weder Aufschnitt noch Käse, sondern nur Enteneier.

Nach einer ausgiebigen Wanderung stärken sich die St. Huberter Maifreunde in der "Waldschenke" im Schadbruch. Es gibt weder Aufschnitt noch Käse, sondern nur Enteneier.

Foto: wolfgang kaiser

Der Mai wird in vielen Regionen Deutschlands auf unterschiedliche Weise begrüßt. Am Niederrhein gibt etwa den Tanz in den Mai, das Aufstellen des Maibaums oder das Anbringen von Maien, also geschmückten Birkenzweigen, an den Häusern der Herzdamen. Weniger bekannt sind so genannte Maigesellschaften. Dabei reicht ihre Tradition bis ins Mittelalter zurück, als die Menschen nach einem oft harten und entbehrungsreichen Winter das Wiedererwachen der Natur und den Beginn der warmen Jahreszeit mit Rundgängen feierten. Originellerweise gibt es in St. Hubert gleich drei Maigesellschaften, die "Maibrüder 1866", die "Maifreunde" und die "Damenmaigesellschaft". "Freude an der Schönheit der Natur und Geselligkeit" geben alle drei Gemeinschaften als ihren Beweggrund an.

 Auch die weiblichen Maifreunde freuen sich alljährlich auf den Wonnemonat feiern ihn an der frischen Luft.

Auch die weiblichen Maifreunde freuen sich alljährlich auf den Wonnemonat feiern ihn an der frischen Luft.

Foto: eva scheuss

Die Aktivitäten der Gruppierungen sind im wesentlichen gleich ausgerichtet. Es gibt ein Vortreffen und eine Wanderung Anfang Mai, die aber ihre je eigenen Traditionen hat. Die älteste Gruppierung, die "Maibrüder 1866", gründeten sich zu einer Zeit, als St. Hubert noch zur Rheinprovinz des Königreichs Preußen unter König Wilhelm I. gehört. Der Ort ist durch Landwirtschaft und das Weberhandwerk geprägt. Hier, so heißt es in der Jubiläumsschrift anlässlich des 150-jährigen Bestehens, "versammelten sich einige Bürger nach vollendetem Tagwerk, um sich von schwerer Arbeit zu erholen und auf das milde Frühlingswetter einzustimmen." Nach "einigen Bieren und Bittern", so heißt es weiter, sei die Idee geboren worden, gemeinsam eine "Land-Parthie" ins benachbarte Stenden zu unternehmen. Und so fand am 6. Mai 1866, einem Sonntag, der erste Maigang dieser Gesellschaft statt.

Das älteste Gruppenfoto aus dem Jahr 1897 zeigt würdige Herren in Anzug und Krawatte mit einem Glas Altbier in der Hand. Und auch heute noch existiert ein ungeschriebener Dresscode. "Wir wollen dem festlichen Charakter des Tages damit Ausdruck verleihen", sagt Bernhard Heithoff, seit 2006 Präsident der Maibrüder, vielen als Allgemeinmediziner in St. Hubert bekannt. Die Gruppe trifft sich am ersten Sonntag im Mai um 5.30 Uhr am Marktplatz in St. Hubert. Mit dem ersten Ton des Liedes "Der Mai ist gekommen" marschiert die Gruppe pünktlich los. Auf Nachzügler, auch wenn sie in Sichtweite sind, wird ausdrücklich nicht gewartet.

Die Wanderung führt durch die niederrheinische Bruchlandschaft nach Stenden, dort nimmt die Gruppe an der Frühmesse in St. Thomas um 8 Uhr teil, die als eine Art Sondergottesdienst extra für die Maibrüder abgehalten wird. Anschließend folgt das Frühstück in der Gaststätte Haus Backes. Dabei gelten feststehende Rituale. "Es gibt Brot, Butter und Enteneier", berichtet Heithoff. "Aufschnitt- oder Käseplatten" seien nicht erwünscht. Tradition ist halt Tradition. Und die Festschrift gibt denn auch Auskunft darüber, wie schwierig es sei Enteneier in guter Qualität und in der erforderlichen Anzahl zu bekommen, schließlich stehen jedem Mitglied mehrere Enteneier zu.

Es gibt einen zuvor gewählten "Oberkoch", aktuell ist es Gregor Goetzens, dessen Aufgabe in der kritisch beäugten Zubereitung der Enteneier besteht. Seine Kochaktivitäten werden durch diverse spaßige Störmanöver immer wieder unterbrochen, bei denen auch das eine oder andere alkoholische Getränk eine Rolle spielt. Aufgabe des Präsidenten ist es schließlich, dafür zu sorgen, dass der Rückweg rechtzeitig angetreten wird. Gegen 13 Uhr soll sich die Gruppe wieder auf St. Huberter Gebiet befinden, wo in der Gaststätte "Waldschenke" im Schadbruch der Ausklang stattfindet.

Die Gemeinschaft besteht aktuell aus 30 Männern im Alter zwischen 28 und 92 Jahren. Wer in die Gruppe aufgenommen werden will, muss sich kurz bewerben. Seit jeher wird über die Aufnahme in geheimer Wahl mithilfe von weißen oder schwarzen Bohnen entschieden, "Ballotage" nennt sich dieses Ritual. "Es ist aber schon lange niemand mehr abgelehnt worden", sagt Heithoff, allerdings sollten es nicht mehr wesentlich mehr als 30 Personen werden, damit eine gewisse Vertrautheit in der Gruppe erhalten bleiben kann.

(evs)
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