Heimatserie So hört sich Heimat an

Hückeswagen · Der Dialekt ist die Sprache der Heimat. Etwa 30 Hückeswagener, die damit aufgewachsen sind, lassen ihn bei ihrem regelmäßigen Stammtisch-Treffen aufleben und schwelgen dabei in Erinnerung an alte Zeiten. Unsere Redaktion berichtet darüber – in Hochdeutsch und Mundart.

  An jedem zweiten Mittwoch im Monat treffen sich die  „Heukeshowwer Plattkaller“ im Kolpinghaus.

An jedem zweiten Mittwoch im Monat treffen sich die „Heukeshowwer Plattkaller“ im Kolpinghaus.

Foto: Heike Karsten

Das Heimatgefühl ist ganz stark mit der Sprache verknüpft. Das gilt für die Landessprache ebenso wie für regionale Dialekte. Sprachwissenschaftler haben die deutschen Mundarten in bis zu 20 großen Verbänden zusammengefasst. Doch genau betrachtet hat jede Stadt ihren eigenen Dialekt, und selbst der hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Heute hört man auf den Straßen kaum noch die heimische Mundart. Doch an jedem zweiten Mittwoch im Monat treffen sich die „Heukeshowwer Plattkaller“ im Gesellenzimmer des Kolpinghauses, um so zu sprechen, wie ihnen sprichwörtlich der Schnabel gewachsen ist.

Wenn sie denn schon die Sprache der Kindheit sprechen, dann kommen den Teilnehmern auch immer lustige Erinnerungen und amüsante Anekdoten in den Sinn. Kurt Walder ist einer der Plattkaller, der diese Geschichten aufschreibt. „Die Kinder von der Marktstraße“, betitelt er seine handschriftlichen Aufzeichnungen, über die die Mundartfreunde herzhaft lachen und schmunzeln können. „Im Schnitt kommen zu den Treffen 17 bis 22 Personen. Der Jüngste ist 72 Jahre, der Älteste gerade 90 geworden“, sagt Hans-Willi Krämer, der die Treffen organisiert.

Ins Leben gerufen wurden die „Heukeshowwer Plattkaller“, nachdem Franz Mostert, der im November 2016 verstorbene wohl bekannteste Plattkaller der Stadt, an der Volkshochschule einen Mundart-Kursus angeboten hatte. „Der war gut besucht, und die Teilnehmer wollten auch danach gerne weitermachen“, erinnert sich Krämer, der gemeinsam mit seiner Tochter daran teilgenommen hatte. Man traf sich anschließend in verschiedenen Gaststätten – zunächst bei Willi Bever in der Gaststätte „Zur Ruhmeshalle“, später im „Alt Hückeswagen“ und „Bürgerstübchen“. Seit Oktober 2017 ist das Gesellenzimmer im Kolpinghaus das Vereinslokal.

Die Stammtisch-Teilnehmer kommen dabei keineswegs nur aus Hückeswagen, sondern auch aus Radevormwald, Schwelm, Kürten und Wermelskirchen. Franz-Walter Joksch ist ein „Dellmann“ aus Wermelskirchen, dem die Mundart sehr am Herzen liegt. Er besucht Stammtische in mehreren Städten und ist im Besitz einer Sammlung alter Mundartbücher. „Er versucht uns immer, das Wermelskirchener Platt beizubringen, schafft es aber nicht“, sagt Krämer lachend.

Ab und zu gesellen sich auch jüngere Mundart-Interessierte zu dem offenen Treff. „Doch meistens kommen die zum nächsten Treffen nicht wieder“, bedauert er. Das können die Plattkaller bestätigen. Selbst von den eigenen Kindern gebe es nur sehr wenige, die den Hückeswagener Dialekt noch sprechen und verstehen können. Lesen und Schreiben sei dabei noch einmal eine ganz andere Hausnummer. „Bei der Großmutter in der Küche wurde immer Platt gesprochen. Aber in der Schule musste Hochdeutsch gesprochen werden“, erinnert sich Gisela Tillmanns. Eltern hätten viel Wert auf die hochdeutsche Sprache gelegt, damit die Kinder in der Schule keine Probleme bekamen.

Für Walter Stursberg ist das unverständlich. „Ich habe Sattler gelernt und konnte mit den Bauern auf den Höfen nur Platt sprechen. Die hätten mich sonst gar nicht verstanden“, berichtet der 90-Jährige. In der Schule habe er dennoch keine Probleme gehabt.

Der Dialekt leidet noch heute darunter, dass er als „minderwertig“ wahrgenommen wird. Im Nachhinein bedauert so manch einer, ihn nicht an seine Kinder weitergegeben zu haben. „Im Norden wird der Dialekt noch ganz anders gepflegt“, sind sich die Heukeshowwer Plattkaller einig. Auch die Kölner sind schließlich stolz darauf, was in vielen Mundart-Liedern zum Ausdruck kommt.

Der Hückeswagener Dialekt könnte in ­naher Zukunft aussterben, wenn er nicht für die Nachwelt erhalten wird. Franz Mostert hatte dazu mit einigen gebundenen Werken und seinen nahezu 400 Mundart-Geschichten, die regelmäßig samstags in der Bergischen Morgenpost veröffentlicht wurden, beigetragen. Hans-Willi Krämer sammelt Wörter als Art Übersetzungshilfe. Und auch Kurt ­Walder hofft, dass seine Anekdoten aus früheren Jahren in einem Buch des Heimatforschers Siegfried Berg Platz finden. „Der Dialekt geht ein für allemal verloren, wenn es keine Niederschriften gibt“, unterstreicht er. Daher ist der Stammtisch der Heuke­showwer Plattkaller nicht nur ein geselliges Beisammensein, sondern auch ein ­Beitrag zur Erhaltung des heimischen Dialekts, Teil der eigenen Identität und nicht zuletzt auch hörbare Heimat.

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