Ansichtssache Eiertänze um den Rotmilan und den Kleidertreff

Hückeswagen · Die Hückeswagener, die sich ehrenamtlich m die Flüchtlinge kümmern, verdienen Respekt und Anerkennung für diese Arbeit. Mit ihrem Offenen Brief, in dem sie ihre Arbeit durch die wahrscheinliche Verlagerung des Treffpunks gefährdet sehen, schießen sie jedoch übers Ziel hinaus. Das gilt genauso für den Eiertanz um den Rotmilan, der den Beginn der äußeren Ortsumgehung weiterhin verhindert.

Es mag eine Plattitüde sein, aber es ist nunmal nicht von der Hand zu weisen: Das Leben besteht aus lauter Veränderungen; sei es im Privatleben oder im Beruf. Auch im ehrenamtlichen Bereich müssen sich die Betroffenen mitunter auf Veränderungen einstellen, wie es jetzt wohl den Mitarbeitern des Flüchtlingsnetzwerks bevorsteht. Denn der Kleidertreff - der Treffpunkt im ehemaligen Bürgerbad-Restaurant im Brunsbachtal - könnte in Kürze von der Stadt neu verpachtet werden. Dann müssten sich die Ehrenamtler und die Flüchtlinge an einem anderen Ort in der Stadt treffen.

Dagegen wehren sich die ehrenamtlichen Helfer vehement. Ihre Integrationsarbeit ist aller Ehren wert, verdient jede Menge Respekt und vor allem Anerkennung. Aber mit ihrem Offenen Brief sind sie übers Ziel hinausgeschossen. So führen sie an, dass eine vernünftige Flüchtlingsarbeit nur am jetzigen Standort zu leisten sei. Warum soll das nicht auch an anderen halbwegs zentral gelegenen Orten geschehen können? Auch sei der Integrationsprozess "extrem gefährdet", wenn die aktuelle Begegnungsstätte aufgegeben werden würde. Das ist schon eine gewagte These. Den Flüchtlingen dürfte es letztlich egal sein, wo sie sich mit anderen Betroffenen und mit Einheimischen treffen und sich über ihre Probleme und Wünsche unterhalten können. Wichtig ist doch vielmehr, dass es auch weiterhin einen Treffpunkt in Hückeswagen gibt! Warum sollte die Integrationsarbeit "plötzlich und völlig unbegründet beendet werden", wenn der Kleidertreff in andere Räumlichkeiten verlegt wird? Die endet nur dann, wenn sich die Ehrenamtler daraus zurückziehen sollten.

Und wie kommen die Ehrenamtler darauf, dass die Räume im Bürgerbad nicht seriös von einem Gastronomen betriebswirtschaftlich rentabel geführt werden können? Es stimmt, das die beiden bislang letzten Versuche von Wirten gründlich daneben gingen und nach nur wenigen Monaten wieder beendet werden mussten. Aber das lag am teils desaströsen Service - wer eine halbe Stunde oder länger auf ein Getränk oder die Rechnung warten muss, der kommt halt nicht wieder. Die Familie Deckert hatte aber seit der Eröffnung des Hallenbads 1974 über mehr als 20 Jahre, wie der Pächter des vietnamesischen Lokals, bewiesen, dass ein Restaurant im Brunsbachtal sehr wohl wirtschaftlich betrieben werden kann. Zur Erinnerung: Die Stadt ist im Haushaltssicherungskonzept und auf jede Einnahme angewiesen. Eben auch auf die Pacht eines Gastronomen im Bürgerbad, wenn sich die Räumlichkeiten denn wieder vermarkten lassen.

Die Räumlichkeiten im Brunsbachtal neben der Integrationsarbeit auch für andere Bürgeranliegen zu nutzen, hat durchaus Charme - aber auch das ist ohne Weiteres an anderer Stelle in der Stadt möglich. Veränderungen können im Übrigen auch Chancen bergen. Sollte der Kleidertreff an anderer Stelle in Hückeswagen angesiedelt werden, fühlen sich vielleicht weitere Flüchtlinge und Einheimische angesprochen. Natürlich wäre es optimal, würde der Treffpunkt im Brunsbachtal bleiben. Aber niemand muss Angst haben, dass woanders die Integrationsarbeit leiden könnte.

Zur Posse entwickelt sich langsam die äußere Ortsumgehung. Seit mehr als 40 Jahren hofft die Stadt darauf, dass der Hauptdurchgangsverkehr aus der Stadt auf die heutige Kreisstraße 5 verlagert werden kann. Generationen von Bundes- und Landtagsabgeordnete haben sich dafür eingesetzt. Und immer wieder schien es, als stünde der Baubeginn kurz bevor. Doch auch jetzt tut sich wieder nichts - weil ein einziges Rotmilan-Pärchen im Bereich der K 5 brütet. Und weil dieser Greifvogel in Deutschland auf der Liste der gefährdeten Arten steht, muss für ihn erst einmal eine Ausweichmöglichkeit gefunden werden.

Natur- und Tierschutz sind wichtig, keine Frage. Aber was sich gerade in Sachen äußere Ortsumgehung tut, ist tiefste Bürokratie-Steinzeit. Niemand glaubt doch im Ernst, dass ein Rotmilan wie ein Mensch umgesiedelt werden kann. Letztlich geht's lediglich um ein mögliches Ausweichgebiet in einem Hückeswagener Waldstück, dass die nächsten Jahre nicht gerodet werden darf und wo sich der Rotmilan - rein theoretisch - ansiedeln könnte.

Wer fragt eigentlich die Menschen, die auf Wiehagen und im Stadtgebiet täglich etliche tausend Autos, Lkw und Motorräder ertragen müssen? Gibt es in Hückeswagen nicht einen Waldbesitzer, der ein passendes Waldgebiet zur Verfügung stellen kann? Damit die Posse endlich ein Ende hat und die B 237n gebaut werden kann.

(RP)
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