Ein Hildener Psychologe schaut auf die Zeit der Corona-Pandemie Viele Alleinerziehende sind mental erschöpft

Hilden/Haan · Die Psychologische Beratungsstelle versucht trotz der Kontaktbeschränkungen Familien Hilfe anzubieten. Durch Corona seien die Probleme von Eltern und Kindern gewachsen, die Möglichkeiten für Beratung jedoch reduziert worden.

 Diplom-Psychologe Friedhelm Topp leitet die Psychologische Beratungsstelle Hilden-Haan. Sie sitzt im Hildener Rathaus.

Diplom-Psychologe Friedhelm Topp leitet die Psychologische Beratungsstelle Hilden-Haan. Sie sitzt im Hildener Rathaus.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die Angst vor einer Infektion mit Corona, die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen, das Gefühl von Eingesperrtsein, der Stress mit dem Homeschooling: All das zerrt an den Nerven von vielen Kindern und Eltern.

Das spürt auch die Psychologische Beratungsstelle im Hildener Rathaus. Sie sieht sich seit dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert. Die Probleme in den Familien sind gewachsen, die Möglichkeiten für beratenden Kontakt jedoch reduziert. So hat insbesondere der niedrigschwellige Charakter des Beratungsangebots für alle Familien, Kinder und Jugendlichen sowie deren pädagogische Bezugspersonen unter den Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen gelitten.

Engagiert hat das Team gegengesteuert und bei seiner Beratung auf das Telefon, teils mit Videoanwendung, gesetzt. „Online-Beratungen waren aufgrund der sensiblen Gesprächsinhalte und des Datenschutzes nicht möglich“, erklärt Friedhelm Topp, Diplom-Psychologe und Leiter der Psychologischen Beratungsstelle Hilden/Haan. So konnten nicht nur bereits begonnene Beratungen fortgesetzt, sondern auch durch die Corona-Lebenssituation entstandenen Neuanmeldungen berücksichtigt werden.

„Neben den ökonomischen Konsequenzen der Pandemie sahen manche Eltern während der Schließzeit von Kita oder Schule sich nicht in der Lage, ihre Kinder in der Weise zu unterstützen, wie sie es gern getan hätten“, beschreibt Topp. Hinzu komme, dass der zwischenmenschlich familiäre Druck nicht durch soziale Kontakte oder Freizeitaktivitäten aufgefangen werden könne.

„Bei Kindern hingegen hatten wir im Frühjahr weniger Anmeldungen für Beratungen. Viele empfanden diese Phase noch als Verlängerung der Ferien, in denen es naturgemäß weniger Schulstress gibt“, erklärt Topp. Er bietet für Schülerinnen und Schüler, die im Mai zu Prüfungen an die Schulen zurückkehrten, eine Akut-Sprechstunde an.

Aktuell sei – parallel zum harten Lockdown mit Schließung der Kitas und Schulen – wieder ein Rückgang zu verzeichnen. Bei vielen Eltern sei der Grad der emotionalen Anspannung hoch, das Familienleben irgendwie zu organisieren.

Die Anspannung erhöhe sich gravierend, wenn Trennung oder Scheidung drohen. In Ruhe ein Beratungsgespräch zu führen sei nicht immer einfach. Man komme immer wieder an den Punkt, die bestehenden Schwierigkeiten mit den Eltern sortieren zu müssen. „Dazu brauchen die Eltern in der Regel einen Freiraum ohne Kinder, was unter den aktuellen Bedingungen nicht immer gelingt“, sagt Topp.

„Hinzu kommt, dass ein Drittel der beratenen Eltern alleinerziehend ist, und da wissen wir, dass viele vor mentaler Erschöpfung schon nicht mehr in der Lage sind, sich überhaupt um Hilfe zu kümmern“, weiß der Psychologe aus seiner Beratungspraxis.

Aus dieser Erkenntnis heraus hat die Psychologische Beratungsstelle vermehrt auf ihr kooperierendes Netzwerk zurückgegriffen, in das Kita- und Schul-Leitungen sowie Lehrerinnen und Lehrer eingebunden sind. „Wir wollen auf diese Weise ein Signal geben, wo man konkrete Hilfe bekommen kann“, so Topp.

Zwischenzeitlich wurde auch die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt, damit keinesfalls der Eindruck entstünde, die Ratsuchenden würden mit ihren Problemen allein gelassen. Auf der Homepage des Psychosozialen Dienstes wurden konkrete Tipps für Eltern gepostet, wie sie gemeinsam mit ihren Kindern gelassen durch die psychisch herausfordernde Zeit gelangen können.

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