Spiritueller Zwischenruf Lichtgestalten und dunkle Seiten

Meinung | Langwaden · Am 1. November werden die Lichtgestalten der katholischen Kirche gefeiert. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten, meint der Langwadener Prior Bruno Robeck.

 Grevenbroich Kloster Langwaden Prior Pater Bruno Robeck Zisterzienser

Grevenbroich Kloster Langwaden Prior Pater Bruno Robeck Zisterzienser

Foto: Melanie Zanin

An zwei Persönlichkeiten kommt in diesen Zeiten niemand vorbei. Dabei muss man ihnen nicht direkt begegnet sein. Wir profitieren vielmehr von dem Fundament, das sie gelegt haben. Sie haben das Gesundheitswesen im 19.Jahrhundert revolutioniert und die Seuchen durch die Entdeckung der bakteriellen Erreger zurückgedrängt. Der eine, Robert Koch, erhielt für seinen Nachweis der Tuberkelbazillen den Nobelpreis für Medizin. Der andere, Rudolf Virchow, machte sich nicht nur einen Namen als Erforscher der Körperzellen und Berater in Seuchenfragen, sondern war auch in der Politik tätig.

Für ihn begann die Hygiene bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten. Nach seiner Ansicht war die Medizin die Blaupause für die große Politik. Daher komme den Medizinern im Staat größte Bedeutung zu. Große dramatische und folgenschwere Auswirkungen hatten die Fehleinschätzungen seines jüngeren Kollegen und Konkurrenten Robert Koch. Das von diesem entwickelte Medikament zur Heilung der Tuberkulose richtete mehr Schaden an, als dass es half. Koch scheute auch vor Menschenversuchen nicht zurück und hielt unerbittlich an seiner These fest, dass nur absolute Reinheit zur Gesundung führt. Heute wissen wir es besser. Auch Lichtgestalten haben ihre Schattenseiten. So unterschiedlich die großen Persönlichkeiten der Geschichte auch sind, es gibt eine Konstante. Sie bleiben immer Kinder ihrer Zeit. Sie sind wie jeder andere Mensch auch mit Fehlern behaftet.

Am 1. November feiern wir die großen Lichtgestalten in der katholischen Kirche. Mit dem Fest Allerheiligen werden uns Menschen vor Augen gestellt, die in besonderer Weise aus dem Glauben gelebt haben. Dabei fällt auf: Je länger ihr Leben zurückliegt, desto deutlich wahrnehmbarer ist ihr Lichtglanz. Bei den Heiligen der jüngeren Vergangenheit treten schon einmal Schatten hervor, besonders wenn sie ein langes Leben auf Erden zu bestehen hatten. Die vor fünf Jahren heiliggesprochene und auch von mir verehrte Mutter Teresa von Kalkutta muss sich einige Kritik gefallen lassen. Unter anderem warf die renommierte katholische Lepra-Ärztin Ruth Pfau ihr vor, nichts gegen die Ursachen von Armut und Krankheit unternommen zu haben. Das Buch „Komm, sei du mein Licht“ mit persönlichen Aufzeichnungen ihres Glaubensweges zeigt die heilige Ordensfrau als leidenden, zweifelnden, aber immer Gott suchenden Menschen.

Dagegen ist beim italienischen Teenager Carlo Acutis, der 2020 selig gesprochen worden ist, alles hell. Er starb 2006 mit 15 Jahren an Leukämie. Sein allzu kurzes Leben und seine starke Eucharistie- und Marienfrömmigkeit beeindrucken. Als Computerfreak ist er jetzt zum Schutzpatron des Internets geworden. Er ist der erste Heilige in Jeans und Sneakers. Ich frage mich manchmal nur, was aus ihm in 20, 30 Jahren geworden wäre. Und ich frage mich, wie meine Lebensbilanz ausgesehen hätte, wenn ich vor 20, 30 Jahren gestorben wäre. Ich bin dankbar für alle Menschen, die in ihrem Leben Licht für andere verbreitet haben. Ich bin aber auch manchmal darüber erschrocken, wenn die dunklen Seiten sichtbar werden. Wenn ich mein eigenes Leben anschaue, sehe ich beides. Die Lichtgestalten machen mir Mut, meinen eigenen Weg zu gehen und möglichst wenig Schatten zu verbreiten.

Pater Bruno Robeck, OCist

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