Forschung in der Rekultivierung Gefährdete Insekten überleben auf rekultivierten Tagebau-Flächen

Wissenschaftler haben untersucht, wie artenreich die landwirtschaftlich genutzten Rekultivierungsgebiete sind. Sie kamen zu erstaunlichen Ergebnissen: Rund um Garzweiler wimmelt es noch vor zum Teil seltenen Insekten.

 Wissenschaftler haben die Insektenwelt rund um den Tagebau Garzweiler untersucht. Insgesamt wurden 231 verschiedene Arten erfasst, darunter 31, die nach der Roten Liste als gefährdet gelten.

Wissenschaftler haben die Insektenwelt rund um den Tagebau Garzweiler untersucht. Insgesamt wurden 231 verschiedene Arten erfasst, darunter 31, die nach der Roten Liste als gefährdet gelten.

Foto: Klaus Görgen

Schon in den 90er Jahren haben Wissenschaftler die Insekten in der landwirtschaftlich genutzten Rekultivierung rund um den Tagebau Garzweiler untersucht. Damals trafen sie auf eine hohe Artenvielfalt. Trotz des allgemein beklagten Insektensterbens hat sich diese in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten nicht verändert. Das bestätigen neue Forschungen, deren Ergebnis am Dienstag vorgestellt wurde.

Auf insgesamt 19 Flächen wurden sieben Tiergruppen untersucht: Wildbienen, Tagfalter, Heuschrecken, Wanzen, Schwebfliegen, Marien- und Weichkäfer. „Insgesamt sind 231 unterschiedliche Arten erfasst worden, darunter 31, die laut Roter Liste als gefährdet gelten“, resümiert Gregor Eßer von der RWE-Forschungsstelle für Rekultivierung. Herausragend: Im Rahmen der Studie konnten alleine 92 Wildbienen-Arten ausfindig gemacht werden. „Das ist eine extrem hohe Zahl für offene Landschaften, die von Ackerbau geprägt sind“, sagt der Düsseldorfer Biologie und Wildbienen-Experte Olaf Diestelhorst. „Herausragend im gesamten Rheinland.“ Anderswo seien 15, bestenfalls 60 Arten festzustellen – 92 Arten seien bemerkenswert. „Auch weil darunter ein hoher Anteil an geschützten und gefährdeten Tieren ist“, sagt Diestelhorst mit Blick auf Insekten wie die seltene Bunthummel.

 Die Rote Mauerbiene ist eine von 92 Wildbienen-Arten, die in der Rekultivierung leben.

Die Rote Mauerbiene ist eine von 92 Wildbienen-Arten, die in der Rekultivierung leben.

Foto: Olaf Diestelhorst

Was die Vielfalt ausmacht, sind sogenannte Sonderstrukturen. Raine, Blühstreifen, Brachen, Hecken, Sträucher und Streuobstwiesen, aber auch kleine Wasserflächen, Totholz-Areale und offene Bodenstellen sorgen für vielfältige Lebensräume. „Dort finden sich nicht nur vergleichsweise viele, sondern auch besonders typische Arten. Etwa solche, die auf vegetationsarmen oder vegetationslosen Flächen vorkommen“, sagt Claus Albrecht vom Kölner Büro für Faunistik. Zu diesen besonderen Arten zählt unter anderem die Blauflügelige Ödlandschrecke, eine stark gefährdete Heuschreckenart, die sich besonders auf mageren Standorten mit offenen Bodenstellen wohlfühlt, auf denen sie dank ihrer Musterung gut getarnt ist. Auch Falter wie der Kleine Sonnenröschen-Bläuling oder der Schwalbenschwanz bevorzugen solche Lebensräume.

„Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der landwirtschaftlich rekultivierten Flächen ist unsere sogenannte siebenjährige Zwischenbewirtschaftung“, sagt Gregor Eßer. „Während dieser werden drei Jahre lang Luzerne-Brachen angelegt, die besondere Falter-Arten wie die Goldene Acht oder den Kurzschwänzigen Bläuling anlocken.“ Besonders artenreich waren auch Flächen mit vielen blühenden Pflanzen. Dort tummelten sich Schwebfliegen, Wildbienen und Weichkäfer. Und: „Die Insektenvielfalt bildet auch eine gute Nahrungsgrundlage für alle Feldvogelarten“, sagt Claus Albrecht. „Das ist der Grund dafür, dass wir in der Rekultivierung das Hauptverbreitungsgebiet der Grauammer haben.“

 Der Biologe Olaf Diestelhorst bei der Arbeit: Mit dem Kescher werden Wildbienen eingefangen.

Der Biologe Olaf Diestelhorst bei der Arbeit: Mit dem Kescher werden Wildbienen eingefangen.

Foto: Klaus Görgen

Was die Forschungsstelle aus der Untersuchung gelernt hat: „Bei der Gestaltung von künftigen Rekultivierungsgebieten wie dem Jüchener Wäldchen sollten nährstoffarme Bodensubstrate und Abbruchkanten in größerem Umfang verwendet werden. Auf diese Weise kann die Biodiversität in der offenen Landschaft maßgeblich und nachhaltig erhöht werden“, sagt Gregor Eßer.

Das nächste Forschungsobjekt wird auf der Sophienhöhe sein. Dort soll nicht nur die Artenvielfalt in den Wäldern der Halde untersucht werden, sondern auch die in der großen, „Höller Horn“ genannten Sandfläche.

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