Spiritueller Zwischenruf Eine meisterhaft inszenierte Dynamik

Langwaden · Die Corona-Zeit hat viele Menschen wieder für Sinn- und Glaubensfragen sensibilisiert. Das meint Prior Bruno Robeck aus dem Zisterzienser-Kloster Langwaden in seiner wöchentlichen Kolumne für die Neuß-Grevenbroicher Zeitung.

 Prior Bruno Robeck beschäftigen Sinn- und Glaubensfragen in der Corona-Zeit.

Prior Bruno Robeck beschäftigen Sinn- und Glaubensfragen in der Corona-Zeit.

Foto: Georg Salzburg (salz)

Mit dem Pfingstfest am Sonntag endet eine kirchlich meisterhaft inszenierte Dynamik, die am Aschermittwoch begann. Gerade im Kloster erlebt man diese drei Monate sehr intensiv durch die besonderen Texte und Riten. Diesmal kam die dynamische Situation des Corona-Lockdowns und der darauf folgenden Lockerungen zeitgleich hinzu. Beide Dynamiken habe ich als ineinander verwoben erlebt.

Wie jedes Jahr war es am Aschermittwoch nur eine relativ kleine Gruppe von Gläubigen, die sich mit dem Aschenkreuz bezeichnen ließ: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.“ Der Startschuss zum Nach- und Umdenken und zur Umkehr ging an den meisten Menschen vorbei. Ihr Alltag wurde erst durch die Lockdown-Maßnahmen unterbrochen. Nicht das Kreuzzeichen mit gesegneter Asche, sondern die überall lauernde Tröpfeninfektion durch das Corona-Virus machte allen Menschen ihre eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit bewusst und zwang sie zum Nach- und Umdenken, zum Verzicht auf Bewegunsgfreiheit und auf außerhäusigen Genuss.

Aber zugleich nahm auch die Hilfsbereitschaft und die Sorge um den Mitmenschen zu. Die zwei großen Dimensionen der christlichen Fastenzeit „Verzicht“ und „Werke der Barmherzigkeit“ wurden für alle sichtbar. Die dritte Dimension, „das Beten“, blieb eher eine Randerscheinung, wenn man einmal von den üblichen kirchlichen Aktivitäten absieht. Sahen die meisten Menschen die Notwendigkeit der Einschränkung und den Sinn des Helfens ein, fanden sie im Gebet kein hilfreiches Mittel, um die Krise zu bewältigen.

In der Folgezeit spitzte sich das Gefühl der Unsicherheit zu und es wuchs die Frustration wegen des Verzichtenmüssens. Die düstere Atmosphäre des Karsamstags hielt an und wollte nicht enden, obwohl wir Ostern feierten – so gut es ging. Mir half die Einsicht, dass am Karsamstag das Wesentliche im Verborgenen stattfindet und sich oft der menschlichen Einflußnahme entzieht. So war es dann auch zu erleben, als sich die Krise ganz langsam zu entspannen begann.

Am Donnerstag sind wir mit Christi Himmelfahrt in eine neue Phase der Dynamik eingetreten. Dieses Fest sagt uns einerseits, dass Jesus für uns Menschen nicht mehr greifbar ist, andererseits, dass er sein Ziel endgültig erreicht hat. Er ist angekommen, wir sind noch unterwegs. In der Corona-Krise erleben wir, dass wir uns weiter entwickeln, dass aber das Ziel noch nicht erreicht ist. Und es stellt sich die große Frage, zu welchem Ziel wir unterwegs sind. Von Christi Himmelfahrt aus gesehen, gibt es keine Rückkehr in die „Zeit davor“, und es gibt auch kein endgültiges Ziel hier auf der Erde. Ich fände es traurig, wenn die „Nach-Corona-Zeit“ nahtlos an die „Vor-Corona-Zeit“ anknüpft und alle Sinn- und Glaubensfragen wieder vergessen werden. Es wäre viel gewonnen, wenn wir lernten, dass wir immer in einer dynamischen Situation leben und uns von der Dynamik des Geistes Gottes bewegen ließen.
Pater Bruno Robeck, OCist

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