Grevenbroich Der geheime Bier-Keller

Grevenbroich · Hemmerden war einst ein Zentrum der Bierbraukunst – und gelagert wurde das begehrte Getränk in tiefen, kühlen Bierkellern. Die NGZ steigt hinab in die Hemmerdener Unterwelt der früheren Brauerei Wilhelm Schnitzler.

So sieht es im Bierkeller am Schitzlerplatz aus
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So sieht es im Bierkeller am Schitzlerplatz aus

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Hemmerden war einst ein Zentrum der Bierbraukunst — und gelagert wurde das begehrte Getränk in tiefen, kühlen Bierkellern. Die NGZ steigt hinab in die Hemmerdener Unterwelt der früheren Brauerei Wilhelm Schnitzler.

Die Frage macht stutzig: "Sind Sie schwindelfrei?", sagt Michael Hoffmann (32), bevor er auf dem Boden der alten Halle ein Holzbrett zur Seite schiebt. Ein zwei mal ein Meter großes Loch kommt zum Vorschein, irgendwo tief unten ist der Boden. Auf einer Leiter an der Wand geht es senkrecht rund acht — gefühlt 15 — Meter hinab ins Dunkel in einen der alten Bierkeller von Hemmerden.

Vor rund 100 Jahren hatte hier die Brauerei Wilhelm Schnitzler — die bekannteste der fünf oder sechs Brauereien im Ort — Bier gelagert, das weit über die Grenzen des Ortes hinaus beliebt war. Willkommen in der Unterwelt am Schnitzlerplatz. "Hier hat sich seit Jahren nichts mehr verändert", sagt Hoffmann, der mit seinem Vater einen nach Mönchengladbach-Schelsen verlagerten Bauernhof betreibt. Die alte Halle war früher Teil des Hofes.

Auch im Sommer angenehm kühl

Überraschung: Die Besucher im Untergrund sind nicht allein: Eine Pappmaschee-Frau erwartet sie — wohl Überbleibsel einer der Großfackeln, die in der Halle oben fürs Schützenfest entstehen. Im Schein der Taschenlampe geht's von einem hohen Raum in den nächsten, der Keller reicht bis unters Nachbarhaus. Hier liegen alte Fahrradfelgen, dort ein Kohlerest. "Mit etwa zehn Jahren war ich das erste Mal hier unten. Zum Spielen ist es aber zu gefährlich", erzählt Hoffmann.

Die Erkundung hat etwas von Höhlenforschung: Wozu dienten die verrosteten Kessel in der Ecke einst? Und welche trübe Flüssigkeit ist seit Jahrzehnten in der kleinen braunen Flasche eingesperrt, die ungeöffnet im Holzkasten lagert? Im hinteren Gänge-Labyrinth sind tausende Weinflaschen gestapelt. "Hier unten ist es auch im Hochsommer angenehm kühl", sagt Hoffmann. Genau dafür waren die Keller gedacht: Dort wurden "untergärige Gerstensäfte wie zum Beispiel das ,Pilsener' produziert. Denn nur bei einer Temperatur von etwa neun Grad konnte die untergärige Hefe verarbeitet werden", schreibt der Grevenbroicher Heimatforscher Manfred Ganschinietz in einem Aufsatz über das Brauereiwesens in der Stadt. Als die Brauerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert gegründet wurde, gab's keine Kühlmaschine, da musste Eis aus Seen und Weihern her.

Zurück im Tageslicht weiß Jakob Schiffer mehr zu berichten: "Unter vielen Gebäuden am Platz gibt es Gänge und bis zu zwölf Meter tiefe Keller", sagt der 89-Jährige. "Im Zweiten Weltkrieg haben die Menschen hier bei Bombenalarm Zuflucht gesucht." Seit über 50 Jahren wohnt er im früheren Maschinenhaus, auch etliche andere Gebäude der Brauerei stehen noch. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Betrieb nach Neuss verlegt. In der Halle schiebt Michael Hoffmann wieder das Brett über die Öffnung, der alte Bierkeller fällt wieder in seinen Dornröschenschlaf.

(NGZ/url)
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