Bundesfreiwilligendienst in Grevenbroich Das Schneckenhaus sucht neue Bufdis

Grevenbroich · Ob bei der Audienz mit einer Bienenkönigin oder Auge in Auge mit einer Kröte – in Grevenbroichs grünem Klassenzimmer lernen Freiwillige die Natur von Grund auf kennen. Zur Jahresmitte gibt es freie Plätze.

 Leisten derzeit den Freiwilligendienst am Scheckenhaus: (v.l.) Joel Trotzki (19), Noah Geuer (17) und Pascal Glasmacher (20).

Leisten derzeit den Freiwilligendienst am Scheckenhaus: (v.l.) Joel Trotzki (19), Noah Geuer (17) und Pascal Glasmacher (20).

Foto: Dirk neubauer/Dirk Neubauer

Schräg gegenüber wohnen die Schneeeulen. Doch für die haben Pascal (20), Noah (17) und Joel (19) gerade keinen Blick übrig. Zu dritt zeigen sie dem widerspenstigen Grün entlang den Beeten und auf den Kieswegen, was ‘ne Harke ist. Zwei Schubkarren sind schon voll – und immer noch finden sich vorwitzige Unkraut-Stängel und Blätter für den Komposthaufen. Schließlich ist das Schneckenhaus das grüne Klassenzimmer von Grevenbroich. Genau hier warten die fünf schönsten Bufdi-Stellen der Stadt ab der Jahresmitte auf neue Freiwillige.

So lockt die Stadt: „Der Bundesfreiwilligendienst bietet: ein interessantes Tätigkeitsfeld im Natur- und Umweltschutz, Mitarbeit in einem aufgeschlossenen und engagierten Team und eine anspruchsvolle und vielseitige Arbeit unter fachlicher Anleitung und Unterstützung“. Nach Angaben von Stadtsprecher Stephan Renner zahlt Grevenbroich hierfür ein Taschengeld von 633 Euro brutto pro Monat – einschließlich aller Sozialleistungen, denn der Bundesfreiwilligendienst ist einem Ausbildungsverhältnis gleichgestellt (siehe Info-Box).

„Wer mit der Erwartung hierhin kommt, dass man die meiste Zeit drinnen am Schreibtisch verbringt, der ist hier garantiert falsch“, sagt Pascal Glasmacher, dessen einjähriger Freiwilligendienst im Schneckenhaus bald zu Ende geht. Man dürfe nicht vor körperlicher Arbeit zurückschrecken und davor, viel an der frischen Luft zu sein. Noah Geuer und Joel Trotzki nicken zur Bestätigung. Gemeinsam haben sie an der  Kreisstraße 10 und am Tribünenweg geholfen, die Krötenschutzzäune aufzubauen und den Amphibien über die Straße zu helfen. Als Corona noch weit weg war, machten sie den Stadtpark fit für das Gartenschau-Jubiläum. Falls nötig, befreiten sie die Spazierwege am Bahndamm in Neukirchen von lästigen Dornenranken oder kontrollierten die Schieber am Neurather Teichsystem, in dem das Wasser aus den Kraftwerks-Kühltürmen auf die Umgebungstemperatur runterkühlt.

 Audienz am Bienenkasten: (v.l.) Schneckenhaus-Chef Ralf Dietrich erklärt Wissenswertes über die heimischen Insektenwelt.

Audienz am Bienenkasten: (v.l.) Schneckenhaus-Chef Ralf Dietrich erklärt Wissenswertes über die heimischen Insektenwelt.

Foto: Dirk neubauer/Dirk Neubauer

Die drei Bufdis haben eines gemeinsam: Nach ihrer Schulzeit wussten sie nicht, wie es weitergehen sollte. Da bot der Bundesfreiwilligendienst die Möglichkeit, eine Orientierungsphase einzulegen. Sie konnten sich umsehen, Kontakte  knüpfen, Bewerbungen schreiben. „Wenn es darum geht, Bewerbungsgespräche zu führen oder gar an Einstellungstests oder Assessment Centern teilzunehmen, verhält sich die Stadt sehr großzügig“, berichtet Pascal Glasmacher.

Mit Erfolg. Noah Geuer fand einen Ausbildungsplatz zur „Fachkraft Agrarservice“. Joel Trotzki wechselt Anfang August als Azubi zur Firma Schindler – Spezialist für Aufzüge und Rolltreppen. Vorzeitig. „Es macht ja keinen Sinn, unseren Bufdis Steine in den Weg zu legen, wenn sie sich für einen weiteren Berufsweg entschieden und ein Ausbildungsangebot bekommen haben“, sagt der Leiter des Schneckenhauses, Ralf Dietrich.

Das führt in diesem Jahr zu einer Sondersituation: Spätestens im September wird einmal die komplette Bufdi-Schar am Schneckenhaus ausgewechselt sein. „Wir bemühen uns, die Bufdis so auszuwählen, dass sie gut miteinander auskommen“, sagt Ralf Dietrich. Ein Probetag auf der Anlage mitten in Grevenbroich zeigt da meist mehr als tausend Worte.

Zwar fällt zurzeit eine Menge vom Standardprogramm der Freiwilligen aus – wegen Corona. So gibt es keine Kindergartenbesuche, keine Imker-AG, an der jeweils zwei der bis zu fünf Schneckenhaus-Bufdis teilnehmen. Dennoch hört die Arbeit nicht auf. Auch die Insektenhotels und Bienenstöcke müssen weiterhin betreut werden. Und so haben alle Bufdis schon mal eine Audienz bei einer echten Königin gehabt – einer schwarz-gelben, mit Flügeln.

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