Niederrhein „Exhibitionist ist nicht gleich Exhibitionist“

Gelderland · Die Zahl der Fälle, in denen sich Männer in schamverletzender Weise Frauen oder Kindern zeigen, steigt. In Kleve ist ein Serientäter gefasst worden, in Issum zog sich ein Fahrradfahrer vor einer Frau aus. Was treibt die Täter dazu?

 Die Fälle von Exhibitionismus im Kreis Kleve haben in den vergangenen Jahren zugenommen (Symbolfoto).

Die Fälle von Exhibitionismus im Kreis Kleve haben in den vergangenen Jahren zugenommen (Symbolfoto).

Foto: Norbert Prümen (nop)

Es sind Fälle wie diese, die im Kreis Kleve immer wieder vorkommen: Vergangene Woche entblößte sich ein junger Mann, etwa Mitte 20, vor einer 53-jährigen Spaziergängerin. Der Unbekannte passierte die Spaziergängerin mit dem Fahrrad, entblößte sein Geschlechtsteil und fasste sich an. Zweimal fuhr er an der Issumerin vorbei, sagte dabei kein Wort. In Goch spielten vor zwei Wochen zwei Kinder nah an einem Zaun im Außengelände eines Kindergartens am Gärtnerweg. Dort sahen sie einen Mann, der sich vor ihnen entblößte.

Die Fälle von Exhibitionismus im Kreis Kleve haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Das ergab eine Anfrage unserer Redaktion bei der Kreispolizei. Demnach kam es im Jahr 2016 zu 27 gemeldeten Fällen, davon einer vor Kindern. Zehn Taten wurden aufgeklärt. 2017 kam es schon zu 34 Fällen, davon vier vor Kindern. 23 Taten wurden aufgeklärt. Bis heute ist es im laufenden Jahr schon zu 30 Fällen gekommen, davon sieben Mal vor Kindern.

Doch was können Kinder und Frauen tun, wenn sich vor ihnen plötzlich jemand in schamverletzender Weise zeigt? „Wir raten dazu, eher keine Reaktion zu zeigen und einfach weiterzugehen“, sagt Polizeisprecher Michael Ermers. Das wirkt am ehesten deeskalierend. Anders sieht die Lage aus, wenn der Exhibitionist aufdringlich oder übergriffig wird. „Dann sollte man ihn auffordern, das sein zu lassen, und damit drohen, sofort die Polizei zu rufen“, sagt Ermers.

Warum es in den vergangenen Fällen zu einem Anstieg der Zahlen gekommen ist, kann die Polizei nicht genau sagen. Die Häufungen ließen sich aber immer im Sommer beobachten, so Ermers. Die Aufklärungsquote hängt dabei auch immer ab, ob Serientäter überführt werden können. Dann lassen sich mehrere Taten auf einmal aufdecken.

Die Gründe, warum sich ein Jugendlicher oder ein Mann vor anderen entblößt, können vielfältig sein. Das jedenfalls sagt Jack Kreutz, Chefarzt der Forensik in der LVR-Landesklinik Bedburg-Hau. „Man muss auch sagen, dass Exhibitionist nicht gleich Exhibitionist ist“, erklärt Jack Kreutz. „Da gibt es den reinen Exhibitionisten auf der einen und auf der anderen Seite Männer, die in einer Lebenskrise stecken, einen über den Durst trinken oder an Demenz leiden und sich einmal in ihrem Leben einer Frau zeigen.“ Die Männer allerdings, die unter einer sexuellen Störung leiden, die durch den ängstlichen Blick ihres Opfers erregt werden und dann womöglich der Frau hinterherlaufen, um sie zu nötigen oder gar zu vergewaltigen, gehören einer ganz anderen Kategorie an.

 Wer bislang der Meinung war, dass es sich bei Exhibitionisten eher um unauffällige, schüchterne und in aller Regel wenig erfolgreiche Männer handelt, darf sich durch die Worte von Kreutz bestätigt fühlen. Denn: „Es sind meist Täter mit einem geringen Selbstwertgefühl, die sich nicht trauen, mit einer erwachsenen Frau eine erwachsene Beziehung zu führen“, sagt der Chefarzt und erinnert sich in diesem Zusammenhang an eine Szene aus dem Kultfilm „Dirty Harry“ mit Clint Eastwood. In dem Action-Thriller der frühen 70er Jahre öffnet ein Exhibitionist seinen Mantel vor einer Frau, die cool ihre Brille aufsetzt und meint: „Das sieht aus wie ein Genital – nur viel kleiner.“ Der Täter läuft schreiend weg.

In der Realität aber sollte jedes Mädchen und jede Frau es vermeiden, einen Exhibitionisten zu provozieren. „Denn man weiß nie, wie so jemand reagiert, wenn er verbal gedemütigt wird“, sagt Kreutz. Deshalb rät der erfahrene Mediziner: „Natürlich und selbstbewusst auftreten, gleichzeitig aber auch um Hilfe rufen. Und, wenn möglich, sich so schnell es geht aus der Gefahrenzone begeben.“

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