Niederrhein Exhibitionisten – Täter mit Komplexen

Emmerich/Rees · Kaum ein Monat vergeht, in dem sich im Sommer nicht Männer in schamverletzender Weise zeigen. Ein Arzt erklärt, wer diese Täter sind. Die Polizei hat in Kleve einen 26-Jährigen dingfest machen können.

 Jack Kreutz, Fachbereichsarzt Forensik: „Meist Täter mit geringem Selbstwertgefühl.“

Jack Kreutz, Fachbereichsarzt Forensik: „Meist Täter mit geringem Selbstwertgefühl.“

Foto: Gottfried Evers/Evers Gottfried

Noch gut ist der Fall von Anfang Juli in Erinnerung. Ein Mann zeigte sich einer Frau, die mit ihrem Kind an der Emmericher Promenade unterwegs war, in schamverletztender Weise. Sein Trieb ließ ihn sogar vor Frau und Kind onanieren. Die Frau nahm ihr Kind an die Hand und entfernte sich von dem Mann. Auch wenn hier den Opfern kein körperlicher Schaden entstanden ist, so ist doch die Vorstellung bereits widerlich.

Passend dazu kam am Dienstag die gute Nachricht, dass ein Täter ermittelt werden konnte. Am Montag gegen 6.30 Uhr war eine 25-jährige Frau aus Kleve zu Fuß auf der Kolpingstraße unterwegs. Ein Mann stand plötzlich dort und hatte seine Hose herunter gelassen. Der Mann war ihr kurz zuvor aus der Entfernung als Radfahrer aufgefallen, der keine Hose trug. Durch Zeugenhinweise konnte die Polizei einen 26-jährigen Mann aus Kleve als Täter ermitteln. Er wurde auch von fünf weiteren Opfern, vor denen er sich im Mai entblößt hatte, als Täter identifiziert.

Bislang liegen der Polizei im Kreis Kleve 27 Anzeigen solcher Art vor. Drei davon betreffen Emmerich und Rees. Möglicherweise ist das Wetter ein Faktor. Im vergangenen Jahr jedenfalls waren es insgesamt 38 exhibitionistische Fälle. Vier davon in Emmerich/Rees. Ein Jahr zuvor waren es 28, zwei davon in Emmerich/Rees.

Ein Sprecher der Polizei rechnete jedenfalls gestern damit, dass sich die Anzeigen in diesem Jahr noch weiter erhöhen werden.

Doch was können Mädchen und Frauen tun, wenn sich vor ihnen plötzlich jemand in schamverletzender Weise zeigt? „Wir raten ganz allgemein dazu, keine Reaktion zu zeigen und einfach weiterzugehen“, lautet ein Tipp der Polizei Die Täter würden nämlich Befriedigung erlangen, wenn sie sehen, dass sich ihre Opfer erschrecken. Man könne aber den Täter auch ansprechen und sagen, dass er aufhören solle und man die Polizei rufe.

Die Gründe, warum sich ein Jugendlicher oder ein Mann vor anderen entblößt, kann vielfältige Gründe haben. Das jedenfalls sagt Jack Kreutz, Chefarzt der Forensik in der LVR-Landesklinik Bedburg-Hau. „Man muss auch sagen, dass Exhibitionist nicht gleich Exhibitionist ist“, erklärt Jack Kreutz. „Da gibt es den reinen Exhibitionisten auf der einen und auf der anderen Seite Männer, die in einer Lebenskrise stecken, einen über den Durst trinken oder an Demenz leiden und sich einmal in ihrem Leben einer Frau in schamverletztender Weise zeigen.“ Die Männer allerdings, die unter einer sexuellen Störung leiden, die durch den ängstlichen Blick ihres Opfers erregt werden und dann womöglich der Frau hinterherlaufen, um sie zu nötigen, gehören einer anderen Kategorie an. Wer bislang der Meinung war, dass es sich bei Exhibitionisten eher um unauffällige, schüchterne und in aller Regel wenig erfolgreiche Männer handelt, darf sich durch die Worte von Kreuz bestätigt fühlen.

„Es sind meist Täter mit einem geringen Selbstwertgefühl, die sich nicht trauen, mit einer erwachsenen Frau eine erwachsene Beziehung zu führen“, sagt der Chefarzt. Er rät, einen Exhibitionisten nicht zu provozieren. „Denn man weiß nie, wie so jemand reagiert, wenn er verbal gedemütigt wird“, sagt Jack Kreutz. Deshalb rät der erfahrene Mediziner: „Selbstbewusst auftreten, gleichzeitig aber auch um Hilfe rufen. Und sich schnell aus der Gefahrenzone begeben.“

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