1Live-Konzert im Waldfreibad Alice Merton singt in Geldern gegen den Corona-Frust

Geldern · Eineinhalb Jahre war die Sängerin im Bühnen-Lockdown. Im Waldfreibad in Geldern-Walbeck beim 1Live-Konzert vor 800 Fans war zu spüren, wie sie sich darauf gefreut hat, endlich wieder aufzutreten.

Alice Merton - Impressionen vom Auftritt beim 1Live Sommerfestvial in Geldern Walbeck
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Alice Merton begeistert im Waldfreibad Walbeck

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Foto: Latzel

Das muss bitter sein. Da bist du eineinhalb Jahre im Corona-Lockdown und darfst endlich wieder raus auf die Bühne. Du hast neue Songs geschrieben, die du den Fans erstmals präsentieren willst. Das Gelände im Waldfreibad Walbeck ist traumhaft, das Wetter ideal und dann spielt die Technik nicht mit.

Alice Merton war spürbar geknickt, als es zu Beginn ihres Konzertes Probleme mit der Anlage gab. Immer wieder entschuldigte sie sich. „Ich will doch, dass ihr die neuen Songs auch so hört, dass sie gut klingen“, sagte sie während die Techniker in Windeseile an den Problemen arbeiteten. Die Fans störte das ohnehin nicht. Sie bekamen dadurch unterm Strich sogar ein Stück mehr, weil Alice Merton ihren Eröffnungssong kurzerhand noch einmal komplett zum zweiten Mal spielte. Was sind schon technische Probleme, die ohnehin kaum zu hören waren, wenn man so endlos lange auf Livemusik gewartet hat?

Marie aus Düren schrie sich schon vor dem Konzert die Seele aus dem Leib, eine Gruppe war sogar sieben Stunden lang nach Walbeck gefahren, andere hatten ganz kurze Wege wie David, der mit Papa Friedhelm Lange gekommen war. Es war das erste Konzert für den Achtjährigen überhaupt. „Er wollte unbedingt mit“, erzählte sein Vater, der Vorsitzender des Bädervereins ist, der sich um das Waldfreibad kümmert. „Ich kenne ein paar Lieder, die sind richtig gut“, ergänzte David, der einen Teil des Abends von den Schultern seines Vaters verfolgen durfte und am Ende von seinem ersten Konzert ganz begeistert war.

Kein Wunder: Alice Merton ließ keine Wünsche offen und präsentierte einen Mix aus neuen Songs wie „Future“ und den Hits wie „Why so serious“ und „No Roots“. Nach vier Songs sprach sie zum ersten Mal ein paar Worte Deutsch, als sie die Fans aufforderte, doch „lockerer“ zu werden.

Die ließen sich nicht lange bitten und tanzten auf ihren Picknikdecken, die so etwas wie die Corona-Privatzone waren. Hier durfte sich jeder ohne Maske aufhalten. Wer aufstand, der musste dann wieder den Mundschutz tragen. 1Live zeigte im Waldfreibad wie Konzerte trotz Pandemie möglich sind. Die Karten waren im Vorfeld alle verlost worden. 800 Fans waren dabei. Jeder musste sich registrieren lassen, es gab Testpflicht und Abstandsregeln. Mit weniger Fans und ohne Gedränge an Verpflegungs- und Getränkeständen war alles irgendwie entspannter.

Auch Alice Merton taute immer mehr auf. Sie habe es jede Nacht vermisst, auf der Bühne zu stehen, sagte sie und könne kaum glauben, dass so viele gekommen seien, obwohl es hier ja noch nicht einmal einen Bahnhof gibt. Je mehr sie auftaute, desto öfter sprach sie Deutsch. „Ich spreche nicht gerne Deutsch auf der Bühne, weil ich Angst habe, dass mich alle auslachen“, erzählte sie. Vor der Sendung „The Voice“ habe sie sich fast übergeben müssen, weil sie Angst hatte, etwas Falsches zu sagen. Schuld sei ein Lehrer gewesen, bei dem sie in der Schule mal ein Referat auf Deutsch halten musste. Der habe nachher keinen einzigen Satz zu ihrem Vortrag gesagt, sondern nur Strichliste geführt, wie oft sie „ähem“ gesagt hatte. Das prägt eben bis heute. „Ich hoffe ja, dass keiner von euch heute Abend eine Strichliste führt“, sagte sie lachend. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Ihr Deutsch war perfekt.

Die Corona-Zeit sei furchtbar für sie gewesen, erzählte Alice Merton. Sie sei oft allein gewesen und zudem noch Hypochonder. Seit sie fünf Jahre war, habe sie immer ihre eigene Seife dabei. „In Corona wurde das noch schlimmer.“

Und an dem Abend war zu spüren, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, wieder live zu spielen. Mit ihren Band im Rücken wirbelte sie fast zwei Stunden über die Bühne bis zum letzten Song die Handylampen im dunklen Waldfreibad für Gänsehaut sorgten. Technische Probleme? Daran erinnerte sich jetzt niemand mehr.

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