Serie Straßengeschichte – Teil 4.1 „Kö“ trägt ihren Namen erst seit 1955

ERKELENZ · Manch einer wird es als freche Anmaßung zurückweisen wollen. Aber es ist nun mal, wie es ist, die Prachtstraßen von Düsseldorf und Erkelenz tragen in ihrer Kurzform den gleichen Namen – „Kö“. Während sich in der Rheinmetropole hinter den zwei Buchstaben die Königsallee verbirgt, ist es in Erkelenz die Kölner Straße.

 Leder Jansen, daneben die RP. Die Kölner Straße bekam 1979 durch Blumenkübel einen Hauch als Fußgängerzone.

Leder Jansen, daneben die RP. Die Kölner Straße bekam 1979 durch Blumenkübel einen Hauch als Fußgängerzone.

Foto: Sammlung Peter Linden

Die Kölner Straße zieht sich mit diesem Namen in der Nord-Süd-Ausdehnung vom Marktplatz bis über die Gleise der Eisenbahnlinie von Düsseldorf nach Aachen hinaus bis kurz vor Kückhoven. Und sie trägt ihren Namen erst seit dem Ratsbeschluss vom 21. Januar 1955, den der Historiker Friedel Krings, Journalist, Buchautor und spätere Oberstudiendirektor des Jungen-Gymnasiums (jetzt Cusanus-Gymnasium) angeregt hatte. Vorher gab es folgende Straßenbezeichnungen für die „Erka-Kö“: vor 1898 vom Markt bis zur Süd-/Ostpromenade Bellinghover Straße und von den Promenaden bis zum Bahngelände Bahnhof­straße, von 1898 bis 1907 vom Markt bis zur Bahnüberführung Bahnstraße, dann bis 1945 Hindenburgstraße, danach bis 1955 wieder Bahnstraße. Die Namensänderung in Hindenburgstraße geht auf einen Beschluss des Erkelenzer Stadtrates vom 14. Oktober 1917 zurück, womit er den wenige Tage zuvor (2. Oktober ) seinen 70. Geburtstag feiernden Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (auch Reichspräsident und Reichskanzler; gestorben am 2. August 1934) würdigen wollte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wich dessen Name wieder, die Straße wurde zurück in Bahnstraße benannt und ab 1955 dann in Kölner Straße.

Nach Burgstraße, Johannismarkt und Markt beschäftigt sich die Rheinische Post in der vierten Folge der Erkelenzer Straßengeschichte nun in mehreren Teilen mit dem nur knapp 100 Meter langen Straßenstück vom Markt bis zum Kölner Tor. Das sind auf der rechten Seite die Hausnummern 1 bis 15 und auf der linken Seite die Hausnummern 2 bis 12 (zusammenhängend mit der Ostpromenade 2). Sie liegen seit dem 1. Dezember 1979 in einer engen Fußgängerzone und sind wohl die belebteste Innenstadtmeile von Erkelenz. Heute kann man sich kaum vorstellen, dass es dort sogar Pkw-Begegnungsverkehr gegeben hat, ehe eine Einbahnstraßenregelung für die erste leichte Entlastung sorgte.

 Aufregung in der Hindenburg/Kölner Straße 1. Viehhändler Oskar Hertz (h.l.) brachte ein mächtiges Rind zur Metzgerei Jansen (h.r. Marie Jansen).

Aufregung in der Hindenburg/Kölner Straße 1. Viehhändler Oskar Hertz (h.l.) brachte ein mächtiges Rind zur Metzgerei Jansen (h.r. Marie Jansen).

Foto: Sammlung Peter Linden

Hausnr. 1 Vielleicht historisch einmalig, auf jeden Fall aber war es eine große Aufregung in der Hauptgeschäftsstraße von Erkelenz, als Viehhändler Oskar Herz dort mit einem stattlichen Rind auftauchte, um es an die „Rind- und Schweinemetzgerei Fr. Jansen“ zu übergeben. Da stellt sich die Nachkriegsgeneration natürlich die Frage „Metzgerei in der Nummer 1?“, weil dort nur „Leder Jansen“ in Erinnerung ist. Doch, die Jansens betrieben Fleischverarbeitung und -verkauf an dieser Stelle, ehe sie noch vor dem Zweiten Weltkrieg zur Nummer 11 (aktuell Metzgerei Rösken) wechselten. Im hinteren Bereich der Metzgerei in der „Eins“ hatten inzwischen die Brüder Laurenz und Josef Jansen eine kleine Schuhproduktion anlaufen lassen, deren Produkte Laurenz’ Ehefrau Marie vorne in einem kleinen Schuhgeschäft anbot. Als 1950 die ersten Bombenschäden beseitigt waren, versuchten sich die Jansen-Brüder Heinz (rechte Schaufensterseite ein Hutgeschäft) und Laurenz Junior (links Lederwaren) mit neuen Geschäftszweigen. Heinz wechselte dann zur Nummer 15, während Laurenz und Ehefrau Elfriede dem Bedarf (Lederwaren, Handtaschen, Koffer) anpassend, die Verkaufsräume sukzessive vergrößerten. Von 1994 bis zum Hausverkauf 2013 führte Tochter Rosemarie Drese das Fachgeschäft mit der Mutter, dann ab 2009 allein. Nach Bekleidung, Reiterzubehör und Textil macht aktuell ein Friseur in der Nummer 1 sein Angebot.

 Das Porzellan-Haus Ludovici in der Kölner Straße 3 im Jahr 1953. Von 1972 bis 2009 wurde dort die Rheinische Post geschrieben, die sich in der Karnevalszeit „Erka-Möhnen-Post“ nannte.

Das Porzellan-Haus Ludovici in der Kölner Straße 3 im Jahr 1953. Von 1972 bis 2009 wurde dort die Rheinische Post geschrieben, die sich in der Karnevalszeit „Erka-Möhnen-Post“ nannte.

Foto: Sammlung Peter Linden

Hausnr. 3 Zunächst trug es den Namen „Porzellan-Haus“ (bis Ende 1971), dann kurz und knackig „RP“ (bis Ende Oktober 2009). Gebaut wurde das Haus mit den nach wie vor markanten Fenstererkern in der ersten und zweiten Etage im Jahre 1933 im Auftrag von Karl und Elisabeth Ludovici durch den Erkelenzer Baumeister Anton Venedey. Die Ludovicis waren eine so genannte feine Adresse für Porzellan, Glas, Kristall, sämtliche Wirtebedarfsartikel und das einzige Rosenthal-Spezialgeschäft am Platze. Sie führten die Tradition von Mutter Henriette Ludovici fort, die schon an der Kirchstraße/Ecke Schülergasse in Porzellan tätig war. Fast 40 Jahre gehörte die Kückhovenerin Anna Dahmen zur Familie und zum Geschäft Ludovici, das auch Porzellan und Geschirr zu großen Familienfeiern (Taufe, Kommunion, Konfirmation, Hochzeit) verlieh. In diesem Fall fuhr man mit einem Handkarren zur Kölner Straße 3, wo in den Kellerkatakomben (beim Bau als Luftschutzbunker angelegt) das Porzellan durch Fingerklopfen geprüft, in Glaswolle sicher verpackt und transportiert wurde. Selbstverständlich gab es bei Rückgabe ebenfalls das kontrollierende Fingerklopfen. Klang zum Beispiel ein Teller dumpf, war er kaputt und musste bezahlt werden.

 Die Kölner Straße 1920, als sie Bahnstraße hieß, mit Blick Richtung Markt.

Die Kölner Straße 1920, als sie Bahnstraße hieß, mit Blick Richtung Markt.

Foto: Sammlung Peter Linden

Zum „Zeitungshaus“ wurde Ludovici, als dort zur Kommunalen Neugliederung am 1. Januar 1972 nicht nur die Geschäftsstelle, sondern auch die Redaktion der Rheinischen Post in renovierte Räume einzog, in denen bis Oktober 2009 Erkelenzer Zeitungsgeschichte geschrieben wurde. Zunächst noch auf Manuskriptpapier mit der Schreibmaschine, ehe dann der Computer Einzug hielt. Für die moderner werdende digitale Technik der Zeitungsmache reichten die verwinkelten Räume mit engen und steilen Treppen dann nicht mehr aus, die RP zog an die Krefelder Straße, während an der Kölner Straße 3 seit 2009 Schuhe (Tamaris, Zohren) verkauft werden.

Hausnr. 5/7 ist heute eine Einheit (Kulinarischer Treff mit Metzgerei Esser und Bäckerei Büsch). Das war bis 1989 anders. In der Nr. 5 war die Bäckerei Gustav und Ida Schröder über Jahrzehnte zuhause, ehe Ende der 1960er-Jahre der Brot- auf Obst- und Gemüseverkauf wechselte, mehr als zehn Jahre betrieben von Irmgard und Gustav Küppers, der bis dahin Leiter der Ziegelei Pauen an der Landstraße 19 Richtung Gerderath war. Unterstützt wurden sie von Tochter Irmgard und Schwiegersohn Bodo Klugewitz, ein im Erkelenzer Land sehr bekannter Tennisspieler. Kleine Anekdote dazu: Als das Ludovici-Haus (Nr. 3) für die Rheinische Post umgebaut wurde, wurde auch vorne links ein neuer Sicherungskasten installiert – sprich angebohrt. Doch plötzlich kam Gustav Küppers von der „5“ rübergelaufen und warnte: „Sie bohren uns die Bananen von der Wand“. Es waren halt sehr dünne Wände.

 Wo heute der Kulinarische Treff einlädt, ist auf dem Bild von 1984 noch die Martini-Passage und rechts Bäcker-Schröder zu sehen.

Wo heute der Kulinarische Treff einlädt, ist auf dem Bild von 1984 noch die Martini-Passage und rechts Bäcker-Schröder zu sehen.

Foto: Sammlung Peter Linden

Dort lagerte später das Kaufhaus Martini Material bis zur Umbauverschmelzung mit dem Haus Nr. 7. Das war seit 1955 die Passage mit immerhin elf Schaufenstern, an die sich auch jedes Erkelenzer Kind erinnerte, weiß Wilhelm Borgs: „Denn da fuhr zu Weihnachten eine elektrische Eisenbahn, vor der wir uns die Nasen plattdrückten.“ Pfiffig auch ein mechanischer Hund, der mit seinem beweglichen Schwanz unermüdlich vor die Schaufensterscheibe klopfte. Dieser schwarze Spielpudel ist immer noch im Besitz der Familie Martini-Jacobs. Übrigens wurde 1989 zum Abriss und zur Umgestaltung der Passage in den Kulinarischen Treff überlegt, ob vom gegenüberliegenden Kaufhaus-Hauptgeschäft in der ersten Etage eine Überführung gebaut werden solle. Es blieb bei der Überlegung.

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