Wahlkampf auf zwei Rädern Zwölf Kilometer mit Kortmann

Düsseldorf · Radfahren liegt bei den wahlkämpfenden Kandidaten für die OB-Wahl im Trend. Dirk Elbers (CDU) radelte bereits durch Angermund und durch Eller. Karin Kortmann (SPD) trat am Samstag mit den Grünen von Pempelfort bis Bilk in die Pedale. Nahkontakt zu sehr kritischen Bürgern inklusive.

Das ist Karin Kortmann
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Auf dem Kirchplatz ist wenig los an diesem sonnigen Samstag. Ein einziger Bürger steht am Info-Stand der SPD, an dem Fraktionschef Günter Wurm und Bezirksvertreter Gerd Deihle die Stellung halten. Die rot-grüne Spitzenkandidatin, heute mit grünen Unterstützern auf Radtour, kommt auf einem roten Rennrad, Marke "Faggin", angerauscht. "Guten Tag, ich bin Karin Kortmann", stellt sie sich Bernd Busch, besagtem Bürger, mit offenem Lächeln und Handschlag vor. "Wir haben noch kein Bier zusammen getrunken, warum duzen Sie mich auf den Plakaten?", erwidert der Mann in der kurzen Lederhose mürrisch. Der Nahkontakt zum Wähler ist unberechenbar.

Kortmann strahlt dennoch, erklärt, dass sie nicht die Bürger, sondern die Stadt meine mit Slogans wie "Düsseldorf, freu Dich!". Busch überzeugt das nicht: "Sie wollen doch gar keine Meinungen hören, das sieht man doch daran, wie die SPD mit Clement umgeht!" Rumms, das sitzt. Denn der mögliche Parteiausschluss des früheren NRW-Ministerpräsidenten ist das Hauptthema an den Wahlkampf-Ständen der Genossen. Und wieder mal muss die Basis ausbaden, was auf anderer Ebene passiert.

"Wir werden ständig darauf angesprochen", bestätigt Gerd Deihle. Leute, die der SPD durchaus freundlich gesonnen gewesen seien, seien jetzt verärgert. "Das ist Harakiri", sagt Kortmann später. Auch sie hat Clement per Mail ihre Unterstützung zugesichert. Doch jetzt ringt sie erst mal verbal mit Bernd Busch weiter. "Erwin hatte mehr Format", schleudert er der 49-Jährigen entgegen. Jetzt platzt Kortmann der Kragen: "Dann wählen sie doch Dirk Elbers!"

Wahlkampf hat eben Licht und Schatten. Viel Licht habe es neulich in Kaiserswerth gegeben, erzählt Kortmann beim Zwischenstopp im vegetarischen Imbiss "Sattgrün" am Graf-Adolf-Platz, wo Inhaber Peter Zodrow die rot-grüne Truppe mit veganischem Müsli und ökologisch korrekten Sandwiches stärkt. In Kaiserswerth habe eine überzeugte SPD-Wählerin ihr einen Strauß roter Rosen überreicht, "sie hat mir sogar viel Segen gewünscht".

Seit 9.45 Uhr ist die gemeinsame OB-Kandidatin von SPD und Grünen in sportlichem Polo-Hemd und mit hochgekrempelter dunkelblauer Hose auf dem Zweirad unterwegs. Ihr "Faggin" hat sie gekauft, als sie ihren Mann Hans kennen lernte: "Er war damals Triathlet — und ich total unsportlich." Sie will auf der zwölf Kilometer langen Strecke mit Start Carl-Mosterts-Platz in Pempelfort und Ziel Aachener Platz im äußersten Süden von Bilk jedoch nicht nur fahren, sondern auch etwas erfahren über die Verkehrssituation in Düsseldorf. Ein Dutzend Grüner radelt mit: Partei-Chefin Mona Neubaur und als Verkehrsexperte der Ratsherr Norbert Czerwinski. "Dort soll eine Schnellstraße entstehen, die in einem Nadelöhr endet", erklärt er auf der Franklinbrücke mit Blick auf das Gelände des Derendorfer Güterbahnhofs.

Die Tour führt entlang der viel befahrenen Lindemannstraße, wo vor zwei Jahren vor dem Goethe-Gymnasium ein Schüler tödlich verunglückte. "Auf eine solche Straße würde ich mich sonst nicht mit dem Rad trauen", sagt Kortmann. Auf dem radwegfreien Worringer Platz verlässt sie und einige andere tatsächlich der Mut: Sie weichen auf den Bürgersteig aus. Am Hauptbahnhof erklärt Czerwinski, weshalb ein Tunnel für Radfahrer von der Fahrrad-Station auf dem Bertha-von-Suttner-Platz zum Bahnhofs-Vorplatz nötig wäre und dass die Bahn blockt.

Ganz nebenbei werden auch Wahlplakate in Ordnung gebracht. Grünen-Kreiskassierer Stefan Wenzel befestigt an der Ecke Dorotheen-/ Ackerstraße ein Plakat, das sich gelöst hatte. Gegen die Schmiererei kann er aber nichts machen. "Ich rauche im Raucherclub" hat jemand Kortmann mit schwarzem Filzstift in den Mund gelegt — mit Pfeil Richtung Kneipe "Zum Goldenen Fass". Am Hauptbahnhof entfernt Mona Neubaur einen Beate-Uhse-Aufkleber von den rot-grünen Logos auf einem Großplakat. Aber auch ihrem Mitbewerber um das OB-Amt begegnet Kortmann auf der Tour immer wieder: Auf dem Schillerplatz lächelt Dirk Elbers (CDU) inmitten einer Schar von Kindern vom Wahlplakat. "Sich mit Kindern fotografieren lassen und mir den Familienurlaub madig machen — da stimmt doch was nicht", entfährt es Kortmann.

Dafür wird der SPD-Stand auf dem Karolingerplatz zum Heimspiel. "Hallo, Frau Kortmann", grüßt eine ältere Dame im Vorbeigehen. Auch bei Ursula und Klaus Weber kommt Kortmann gut an. "Das Radwegenetz ist unmöglich", finden sie und schimpfen auf die Autofahrer-Lobby. "Hauptsache der Erwin-Nachfolger kommt nicht dran", sagt Weber. Viel Vorschuss-Hoffnungen erntet Kortmann auch am SPD-Stand auf dem Aachener Platz, wo die Radtour endet und Vertreter der Fleher Bürgerinitiative (FB-I) auf sie warten. Sie fordern Tempo 80 auf der Fleher Brücke und sind damit bisher beim Regierungspräsidenten Büssow gescheitert. "Ich schreibe ihm einen offizielle Anfrage als Bundestagsabgeordnete", verspricht Kortmann.

Das feuerrote Wahlkampf-Mobil fährt vor. Ein Mix aus Schlager und Techno schallt aus den Boxen. "Sagen Sie mir, warum ich Sie wählen soll", sagt eine Frau zu Kortmann. Die spult runter, wofür sie steht: Rückkauf der Stadtwerke-Anteile, Förderung regenerativer Energien, kostenfreie Kita-Plätze. "Ich habe keine Kinder, verdiene gut und zahle viele Steuern", sagt die 31-jährige Ingenieurin anschließend. Traditionell wähle sie die Grünen. "Von den Inhalten, die Frau Kortmann vertritt, fühle ich mich aber leider nicht angesprochen."

(RP)
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