Essay Straßennamen sind Gedächtnis der Stadt

Düsseldorf · Das Ändern von Straßenbezeichnungen kann Aspekte der Geschichte in Vergessenheit geraten lassen. Umbenennungen unter aktuellen Gesichtspunkten können schnell überholt sein und zu Interessenkonflikten führen.

2013: Neue Straßennamen für Düsseldorf
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2013: Neue Straßennamen für Düsseldorf

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Straßen in einer Stadt sind mehr als Verbindungen. Sie geben dem Siedlungs-Gebilde aus Häusern und Grünflächen eine Struktur, sorgen für eine Ordnung und bieten Orientierung — allein schon durch ihre Namen. Weil Straßenbezeichnungen naturgemäß untrennbar mit der Stadt verbunden sind, werden sie gerne auch als Ehrung für herausragende Persönlichkeiten genutzt. So finden sich die Namen fast aller Oberbürgermeister als Straßenbenennung, ebenso die der Ehrenbürger, die von Künstlern und nicht zuletzt auch von Unternehmern und Industriellen, weil sie in der Epoche der Industrialisierung Düsseldorf als Wirtschaftsstandort vorangebracht haben.

Dieser Katalog der Namen gibt den Bewohnern ein Gefühl der Beständigkeit und die Ahnung von einem Fundament, auf dem sich die Stadt entwickeln kann. Denn der Verlauf von Straßen ändert sich seltener als die Gebäude an ihren Rändern. Die verändern ihr Aussehen durch Modernisierung oder Sanierung oder werden sogar abgerissen, Straßen dagegen werden so gut wie gar nicht eingezogen oder verlegt. Durch diese unterschiedliche Entwicklung von Häusern und Straßen entsteht eine Spannung zwischen der Modernisierung und Weiterentwicklung der Stadt einerseits und der Tradition andererseits. In der Veränderung wird das Bleibende sichtbar.

An diesem Prinzip wird von der Stadtverwaltung gerüttelt. Jüngstes Beispiel ist die Umbenennung der August-Thyssen-Straße in Dreischeibenhaus. Denn die Zufahrt zu dem herausragenden Bauwerk Dreischeibenhaus könnte auch nach ihm benannt werden. Dahinter mag der Gedanke stehen, ortsunkundigen Besuchern eine Orientierungshilfe zu geben, damit sie die Unternehmen in dem denkmalgeschützten Bürohaus leichter finden. Oder aber eine Hilfe für eine gute Vermarktung durch eine einprägsame Adresse.

Geschichtsbewusste Düsseldorfer empfinden diese Umbenennung als kurzsichtig und wenig praktikabel. "Ohne Not sollte die Identität eines Ortes nicht aufgegeben werden", sagt beispielsweise der Historiker Peter Henkel, Mitglied des Förderkreises Industriepfad Düsseldorf Gerresheim. Zu dieser Identität gehöre auch die Tradition des Ortes als Verwaltungssitz des Thyssen-Konzerns, auf die der Name des Unternehmers August Thyssen hinweise. Mit der Beibehaltung des Namens werde auch der Wandel im Wirtschaftsstandort Düsseldorf deutlich.

Würde dieses Prinzip der Umbenennung konsequent angewandt, sieht der Ehrenbaas der Bürgergesellschaft Alde Düsseldorfer, Heinrich Spohr, eine Reihe von Veränderungen: Das Mannesmannufer dürfte nicht mehr so heißen, die Heinrich-Ehrhardt-Straße, die an den Gründer der späteren Rheinmetall-Werke erinnert, sei überholt. Dass die Bezeichnung nach einem Gebäude Interessenkonflikte verursachen kann, zeigt die Benennung der Straße vor der Arena in "LTU-Arena-Straße". Als die Firma verschwand und mit Esprit ein neuer Sponsor auftrat, musste auch der Name geändert werden — jetzt in die banale Bezeichnung Arena-Straße.

Wenig aussagekräftig ist auch die neue Bezeichnung Tower Straße für einen Teil der Flughafenstraße. Zur besseren Orientierung, wie es hieß. Aber mit solchen banalen Dopplungen wird die Chance vertan, unterschiedliche Aspekte einer Stadt herauszustreichen.

(RP)
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