Tennis Rittner: "Petkovic ist ein Glücksfall"

Barbara Rittner, 37, Bundestrainerin der Fed-Cup-Mannschaft des Deutschen Tennis Bundes, über verpasste Chancen in der Karriere, ihre Freundschaft zu Steffi Graf und den Aufstieg von Andrea Petkovic in der Weltrangliste.

 Zwei, die sich vertrauen: Spitzenspielerin Andrea Petkovic (links) und Bundestrainerin Barbara Rittner bei der Pressekonferenz zum Fed-Cup-Spiel gegen die USA in Stuttgart.

Zwei, die sich vertrauen: Spitzenspielerin Andrea Petkovic (links) und Bundestrainerin Barbara Rittner bei der Pressekonferenz zum Fed-Cup-Spiel gegen die USA in Stuttgart.

Foto: dapd

Frau Rittner, zu Ihren engen Vertrauten gehört Steffi Graf. Was sagt die beste deutsche Tennisspielerin aller Zeiten zu Andrea Petkovic?

Rittner Wir haben tatsächlich vor ein paar Wochen telefoniert und natürlich auch über die Entwicklung von Andrea gesprochen. Steffi sagte mir, Andrea werde ihren Weg ganz bestimmt gehen. Sie sei eine, die extrem hart an sich arbeite. Die bereit sei, den Tick mehr zu investieren, um vorne mitspielen zu können. Kürzlich haben die beiden sich dann in Las Vegas zu einer Trainingseinheit getroffen.

Petkovic ist Weltranglisten-19. Wo kann ihr Weg noch hinführen?

Rittner Es gibt für die Andi keine Grenzen nach oben. Sie ist für mich der beste Beweis: Wenn man etwas wirklich will, dann kann man es auch erreichen. Andrea ist sicherlich keine Überfliegerin, sie hat Talent, aber sie hat vor allem diesen unbändigen Willen. Sie ist ein Glücksfall. Wenn du nicht hundertprozentige Bereitschaft mitbringst, dann wirst du niemals den Sprung nach ganz oben schaffen.

Petkovic hat die Schattenseiten des Sports schmerzhaft erlebt. Nach einem Kreuzbandriss 2008 drohte ihr sogar das Karriereende. Haben Sie mit so einer Rückkehr gerechnet?

Rittner Ich habe nie daran gezweifelt. Andrea und ich haben damals sehr eng zusammengearbeitet. Andrea hat sogar zwischenzeitlich bei mir gewohnt. Da lernt man den anderen schon verdammt gut kennen. Ich habe ihr versucht, Vertrauen zu geben. Sie hat sich zurückgekämpft und sich auch von Rückschlägen nicht beirren lassen. Diese Art hat mir sehr imponiert.

Weil Sie selbst als aktive Spielerin nicht so viel Ehrgeiz hatten?

Rittner Ich war auch zielstrebig, aber ein anderer Typ. Ich hatte eine gute Karriere, war immerhin 24. der Weltrangliste. Doch bei mir sind Dinge passiert, die mich abgelenkt haben. Meine Eltern haben sich getrennt, da war ich 19, das konnte ich lange nicht ausblenden. Ich hatte damals einfach nicht die mentale Stärke. Die Prioritäten verschieben sich und damit auch das Verhältnis zu deiner Arbeit auf dem Platz.

Klaus Hofsäss, einer Ihrer Vorgänger als Kapitän des Fed-Cup-Teams, beklagt immer wieder, den Top-Spielerinnen fehle es an Konstanz und einer vernünftigen Ausbildung. Mangelt es wirklich an der nötigen Qualität?

Rittner Ich finde schon, dass sich besonders in der Breite einiges getan hat. Es gibt sicherlich keine Steffi Graf mehr, keine Spielerin, die über einen längeren Zeitraum alles dominiert. Jeder kann jeden schlagen.

Als Sie 2005 Ihren Job beim Deutschen Tennis Bund (DTB) angetreten haben, war Ihr Ziel, neue Spielerinnen in die Weltspitze zu führen. Wie findet man Talente?

Rittner Indem man sucht.

Sie arbeiten beim Verband nur auf Honorarbasis — 65 Tage im Jahr als Kapitänin des Fed-Cup-Teams, 110 Tage im Nachwuchsbereich. Und was passiert den Rest des Jahres?

Rittner Es wäre sicherlich toll, wenn ich fest beim Verband angestellt wäre. Aber die finanziellen Möglichkeiten des DTB sind zurzeit beschränkt. Wenn du so einen Job machst, dann bist du aber sowieso das ganze Jahr im Einsatz. Ich beschäftige mich rund um die Uhr mit der Frage, wie kann man Talente wie eine Andrea Petkovic, Julia Görges und Anna-Lena Grönefeld möglichst optimal fördern. Dazu betreue ich Nachwuchskräfte ab 15 Jahren, begleite sie zu Lehrgängen, versuche ihnen von meinen Erfahrungen zu berichten. Ich erzähle auch viel von der Zeit mit Steffi Graf. Sie ist für viele noch immer das große Idol, der Grund, auch einmal eine große Tennisspielerin werden zu wollen.

Sind Sie mit der Unterstützung durch den DTB zufrieden?

Rittner Der Verband tut, was finanziell zurzeit eben möglich ist. Die Idealvorstellung wäre, in NRW gebe es einen eigenen Stützpunkt. Wir arbeiten daran. Vieles hängt auch davon ab, ob es eine Spielerin wie Andrea Petkovic schafft, sich in der absoluten Weltspitze festzusetzen. Dann wird das Interesse der Öffentlichkeit größer und damit auch die Möglichkeiten.

Sie kämpfen mit dem deutschen Team an diesem Wochenende in Stuttgart gegen die USA um einen Platz in der Weltgruppe. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Rittner Es wird wirklich eine ganz schwere Aufgabe. Ich bin aber optimistisch, dass wir uns durchsetzen werden.

Die USA treten ohne Venus Williams (Nr. 9) an, die noch an einer Hüftverletzung laboriert. Erleichtert?

Rittner Sie wäre sicherlich eine Herausforderung für uns gewesen, aber keine meiner Spielerinnen hätte vor ihr Angst gehabt.

Andrea Petkovic hat getönt, diese deutsche Mannschaft könne mittelfristig sogar den Wettbewerb gewinnen. Sind Sie ähnlich optimistisch?

Rittner Warum nicht. Aber zunächst müssen wir unsere Pflichtaufgaben erfüllen und uns gegen die USA durchsetzen.

Gianni Costa führte das Gespräch.

(RP)
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