Besuch im Atelier Ein Künstler mit System

Düsseldorf · Die Bilder des 30-jährigen Malers Tristan Wilczek aus Düsseldorf enthalten auch Text – manchmal als Randnotiz, manchmal sogar als Hauptmotiv.

 Wirkt manchmal mehr wie ein Wissenschaftler als ein Maler: Tristan Wilczek neben einem seiner Großformate im Atelier.

Wirkt manchmal mehr wie ein Wissenschaftler als ein Maler: Tristan Wilczek neben einem seiner Großformate im Atelier.

Foto: Bertram Müller

Tristan Wilczek ist ein systematischer Mensch. Dennoch hatte er sich an der Düsseldorfer Akademie einen ehemaligen Neuen Wilden als Lehrer erkoren, Herbert Brandl, einen Maler des österreichischen Neoexpressionismus. Das ging gut. Denn es kam Wilczek nicht so sehr darauf an, was sein Lehrer als Künstler hervorbrachte, als darauf, wie er als Lehrer wirkte.

In der Rückschau rühmt Wilczek an Brandl vor allem, dass er zurückhaltend ist, dass er ihm viel Freiraum ließ und nur selten in die Arbeit seiner Schüler eingriff. Einmal, so berichtet Wilczek, hatte Brandl Arbeiten von Wilczek als ein wenig kitschig bezeichnet, sie aber didaktisch geschickt sogleich anderen gegenübergestellt, die er für gelungen hielt. Danach, sagt Wilczek, habe der Professor kaum noch eingegriffen. „Der Rest muss von einem selber kommen“, das hatte Brandl seinen Studenten vermittelt. „Und für mich ist das sehr gut gelaufen“, fügt Wilczek an. Am Ende hatte er sich künstlerisch von seinem Lehrer weit entfernt. Während Brandl Expressionist blieb, entwickelte Wilczek sich zum Systematiker.

In seiner Berufung fasste er rasch Fuß. Schon 2017, im letzten Jahr seines Studiums an der Akademie, richtete ihm ein Galerist die erste Ausstellung ein: der damals noch in Köln, heute in Düsseldorf residierende Markus Lüttgen. Nahtlos schloss sich ein zweijähriges Stipendium des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen an, und Wilczek bezog ein allerdings zu großes und damit für ihn zu teures Atelier in der weißen Siedlung in Golzheim. Von dort wechselte er vor vier Monaten erleichtert ins Kölner „Kunstwerk“, ein selbstverwaltetes Künstlerhaus in einem ehemaligen Industriegebäude neben den Deutzer Messehallen.

Anhand der Bilder, die dort an den Wänden des Ateliers lehnen, erläutert Wilczek seinen künstlerischen Weg, und der hat es in sich. Denn wer Zugang zu seiner Malerei finden will, muss Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie durchlaufen, auf Sprachtheorie gefasst sein und Diagramme lesen.

„Eos“ heißt ein schwarzweißes Gemälde, betitelt nach den Initialen der Wörter, die fett schwarz auf weiß hineingeschrieben sind: „Eisen - Oxyd - Schwarz“. Am unteren Rand stehen Bezeichnungen aus einem Farbindex. „Sprache“, so sagt Wilczek dazu, „ist mir genauso wichtig wie das Bildnerische.“ Sprache, Medien und Mathematik finden in seiner Kunst zusammen.

Ein größeres Bild mit starkem blauen Akzent und viel weißem Grund hängt daneben. An einer Stelle wird die Bezeichnung des verwendeten Pinsels genannt. Auch hier arbeiten Zeichen und Sprache zusammen.

„Meine Bilder sind ein Versuch der Auseinandersetzung mit dem gesamten Erkenntnissystem“, sagt Wilczek. Er zitiert Wilhelm von Humboldt und lässt keinen Zweifel am Rang, den er selbst mit Wittgenstein der Sprache zuweist: „Eine Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen.“

Die jüngsten, aus dem laufenden Jahr stammenden Bilder wirken poetischer, gefälliger, man könnte auch sagen: ästhetischer als die vorangegangenen. Im Stil der Malerei von Cy Twombly sind Sätze mit Bleistift auf die Leinwand notiert, doch Wilczek schreibt keinesfalls ab. Wo Twombly sich in die Mythologie der Antike zurückzog, bleibt Wilczek sich seiner wissenschaftlichen Erkundung der Gegenwart treu. Da heißt es zum Beispiel: „An Stelle eines Motivs: Inhalation periodisch oder Neusprech im Wort. Wo Zeichen endet, hortet Sinn Funktion. Kein Ort vergessen, kein Weg, kein Wasser übers Sonnenkreuz hinaus.“ Was immer das bedeuten mag: Wasserströme spielen in Wilczeks Malerei eine Rolle, überhaupt die Natur, dazu der Raum, und immer wieder durchkreuzen Physis und Psyche einander.

Anfangs, so erklärt Wilczek, sei es ihm auf das „Zerwüten von Systemen“ angekommen. Heute dagegen suche er nach einem „malerischen Abgleich“, und er gehe immer mehr ins Detail.

Jenes Bild mit den poetisch-philosophischen Zeilen wird von sparsam aufgetragenen Pastellfarben beherrscht. In Tristan Wilczeks Welt hat eine neue Phase begonnen.

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