Düsseldorf „Wir Sänger leben auf dem Aktienmarkt“

Düsseldorf · Der 27-jährige Valer Barna-Sabadus singt die Titelpartie in der Neuproduktion von Georg Friedrich Händels "Xerxes" in der Rheinoper. Längst ist er einer der begehrtesten Countertenöre. In seiner Freizeit ist der Sänger völlig uneitel.

Das sind Düsseldorfs Bühnen
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Sitzt er zwischen Altersgenossen in der Kneipe und wird nach seinem Beruf gefragt, sagt er "Sänger". Sofort flammt Interesse auf. Pop? Rock? "Nein", antwortet er dann, "ich singe Klassik. Oper und so." Nach der ersten Verblüffung purzeln die Klischees.

Tragen denn Opernsänger nicht immer einen Schal, trinken nur Tee und fürchten sich vor Halskrankheiten? Valer Barna-Sabadus schmunzelt in sich hinein - und verrät erst dann den Clou: "Ich bin ein Countertenor." Geduldig erklärt er, was das bedeutet. Dass sein Gesang in hoher Stimmlage keine Persiflage sei, sondern ganz seriös: "Es darf niemals affig klingen, das ist die große Kunst."

Seit einer Woche verzaubert der 27-Jährige das Düsseldorfer Opernpublikum. Valer Barna-Sabadus ist atemberaubend gut als Xerxes in Händels gleichnamigem Werk, das in der Inszenierung von Stefan Herheim als Ko-Produktion mit der Komischen Oper Berlin gezeigt wird. Dort hatten Mezzo-Sopranistinnen die Partien von Xerxes und seinem Bruder Arsamenes übernommen. In Düsseldorf folgte der Regisseur der barocken Aufführungspraxis und holte mit Valer Barna-Sabadus und Terry Wey zwei herausragende Countertenöre auf die Bühne. Der allererste Xerxes war der Kastrat Caffarelli, ein Kontrahent Farinellis. "Mit ihnen will ich mich aber nicht vergleichen", schränkt Valer Barna-Sabadus ein. "Sie hatten ja auch diese physiognomische Besonderheit, von der ich froh bin, dass ich sie nicht habe."

Die anspruchsvolle Partie des unlauteren Herrschers eignete sich der Sänger in nur drei Monaten an. "Sicher half mir dabei die deutsche Sprache. Sie kommt bei den grotesken Scherzen und Anspielungen auch dem Publikum entgegen." Einige Arien singt der Titelheld auf Italienisch, warum? "Als feinfühliger Musiker wusste unser Regisseur, dass es zu diesen sentimentalen Ausbrüchen besser passte. Die unterschiedliche Sprache dient Xerxes auch dazu, sich zu erheben. Er ist der König, er kann singen, wie er will."

Stefan Herheims opulente Inszenierung habe ihm den Weg durch die verzwickten Koloraturen erleichtert: "Bei der Premiere brannte ich darauf, die Rolle endlich loszulassen." Obwohl Valer Barna-Sabadus erst im Sommer die Musiktheater-Meisterklasse der August-Everding-Akademie in München beenden wird (als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes), umwerben ihn seit Jahren bedeutende Opernhäuser. Seine Solo-CD "Hasse Reloaded" erhielt den Deutschen Schallplattenpreis 2012, mit dem Pera Ensemble gewann er den Echo Klassik Award 2012 für die CD-Einspielung "Baroque Oriental".

Bei allem Erfolg bleibt der Künstler bescheiden. "Ich bin selbst überrascht, wie ich wahrgenommen werde. Mit eigenen Einschätzungen halte ich mich zurück, weil es gehen kann wie auf dem Aktienmarkt, mal nach oben, mal nach unten." Mit fünf Jahren kam Valer Barna-Sabadus mit Mutter, Bruder und Großmutter aus Rumänien nach Deutschland. Der Vater, ein Cellist, starb früh. Die Musik war in der Spätaussiedlerfamilie allgegenwärtig. Der Junge spielte Geige und Klavier, sang im Schulchor - und rettete auf wundersame Weise seinen Knabensopran über den Stimmbruch. Da horchte seine Mutter, eine Pianistin, auf und überraschte ihn mit der Feststellung: "Du bist ein Countertenor, etwas ganz Besonderes." Mit 17 Jahren wurde er noch vor dem Abitur Jungstudent an der Hochschule für Musik und Theater in München.

Sein Operndebüt gab Valer Barna-Sabadus mit 21 in der Titelpartie in Händels Oper "Rinaldo". 2009 gastierte er als Adrasto in Niccolo Jommellis Oper "Demofoonte" erst bei den Salzburger Pfingstfestspielen, dann in Paris, wo er "Künstler des Monats" wurde. Mit einem Wirtschafts-Ingenieur und einem Philosophen lebt der Sänger in einer Münchner Wohngemeinschaft. "Drei völlig unterschiedliche Charaktere, die einander bereichern", sagt er.

Mit den Freunden diskutiert er über Politik und die ungelösten Fragen des Daseins. Doch genauso gerne schwärmt er aus. "Düsseldorf ist anregend, ich genieße die kulturellen Möglichkeiten, aber auch so banale Dinge wie das süffige Altbier." Die rasche Folge der "Xerxes"-Aufführungen behagt ihm. "Das erhält die Spannung. Tagsüber lenke ich mich ab, sammle Energie und nehme leichte Kost zu mir. Auch etwas Fleisch. Aber keine rohe Leber, auf die Tenöre früher schworen."

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