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Pop beim New Fall Festival Mines beglückendes Sommerkonzert

Düsseldorf · Die deutschsprachige Popsängerin überzeugt beim New Fall Festival im Ehrenhof mit einer fantastischen Band, Coolness und großer Ehrlichkeit.

Die Sommer-Edition des New Fall Festivals unter freiem Himmel im Ehrenhof.

Die Sommer-Edition des New Fall Festivals unter freiem Himmel im Ehrenhof.

Foto: Schiko

Das Konzert von Mine im Ehrenhof war auf vielen Ebenen eine beglückende Erfahrung: Weil es dank der Sommer-Edition des New Fall Festivals nach langer Durststrecke überhaupt wieder Konzerte gibt. Weil Mine gleichzeitig cool und lässig, emotional, ehrlich und kritisch ist. Weil sie die Musikindustrie hinterfragt und selbst ein Beispiel dafür gibt, wie es besser laufen könnte.

Ihr gemeinsames Album mit dem Rapper Fatoni ist so ein Beispiel: „Alles Liebe nachträglich“ ist die freundschaftliche Kollaboration der Genres Pop und Hip Hop, die sich sonst gern voneinander abgrenzen. Im Stück „Erdbeeren ohne Grenzen“, das Mine zwar ohne Fatoni, aber mit Hilfe ihrer fantastischen Band im Ehrenhof spielt, wechselt sie sogar die Rolle: Mine rappt (und Fatoni singt) – von einer Autofahrt nach Berlin, bei der sie wegen eines kaputten CD-Players Radio hören müssen und dabei auf die immer gleiche Deep-House oder Trap-Rap-Musik stoßen.

 Popsängerin Mine.

Popsängerin Mine.

Foto: Schiko

„Die Auswahlliste war klein, der Moderator hatte keine Alternativen“, rappt Mine und später findet der Song zu einer interessanten Analogie: Wieso essen wir im Winter eigentlich seelenlose, in Plastik gezüchtete Erdbeeren? Warum sind die Gesetze unserer Gesellschaft so: Die immer gleiche Musik im Radio – und immer Erdbeer-Törtchen in der Konditorei?

Das Publikum – 250 Menschen sorgen für einen ausverkauften, nach Corona-Richtlinien bestuhlten Hof – merkt also schnell: Mit der 34-jährigen Schwäbin steht ein kritischer Geist auf der Bühne. Ein Mensch, der sich dem herrschenden musikalischen Einheitsbrei widersetzen will, der tatsächlich auch mit dem Verschwinden der CD-Player aus Autos und Wohnzimmern zu tun hat. Dadurch ist es für unabhängige Künstler schwerer geworden, Musik selbst herauszubringen und zum Beispiel nach Konzerten als physische Tonträger zu verkaufen.

Mine, die eigentlich Jasmin Stocker heißt, hat ihren facettenreichen Deutschpop unter anderem durch ein Studium an der Mannheimer Popakademie entwickelt. Beim Düsseldorfer Konzert wurde schnell klar, dass sie dabei nie an Stilgrenzen interessiert war. Sie nutzt rhythmische Grundlagen aus dem Hip Hop und Sounds, die sonst gern im von ihr kritisierten Trap genutzt werden.

„Klebstoff“ ist so ein Song, den man kaum einordnen kann. Sein Grundgerüst klingt, als ob jemand eine alte Heimorgel auf Autopilot laufen lässt. Doch dann setzt das Schlagzeug ein, minimale Elektronik kommt dazu, Mine bringt Stimmeffekte ein und das Stück entwickelt einen unwiderstehlichen Groove – trotz des eigentlich deprimierenden Themas.

Ihrem Publikum erzählt die Sängerin den Hintergrund: „Meine Mama ist vor zwei Jahren gestorben. Und obwohl ich ganz viel da war, hab’ ich mich am Ende gefragt: Hätte ich nicht noch mehr da sein können oder müssen?“ Das Ergebnis war ein schäbiges Gefühl, das Gefühl von Klebstoff an den Händen, der an allem zurückbleibt, das man anfasst.

Auch mit ihrem Vater hat Mine sich auseinandergesetzt – und bevor sie den Song „Vater“ singt, der von psychischen Problemen handelt, bekennt sie: „Ich war in Therapie, und es war voll gut für mich und meine Entwicklung!“ Das Publikum muss kurz durchatmen wegen der so großen und unerwarteten Offenheit, dann brandet großer Applaus auf. Mines schonungslose Ehrlichkeit kommt gut an.

Sie kommt auch deshalb an, weil das Gesamtpaket so sympathisch ist: Mine tritt auf mit bunt zusammengewürfelter Band, die einen richtigen Sound in den Hof bringt und das Publikum, das weit voneinander entfernt sitzen muss, in einem guten Gefühl zusammenbringt.

Hervor sticht dabei ihre großartige Schlagzeugerin Philo Tsoungui, die selbst Musik produziert und auch rappen kann – und beim Stück „Mon Coeur“ den Part von Fatoni übernimmt, während sie Trommeln und Becken spielt.

Mine und Band ist in jeder Sekunde die Freude darüber anzumerken, nach der Corona-Zwangspause überhaupt wieder spielen zu dürfen: „Es ist erst unser zweiter Auftritt seit Dezember 2019“, sagt sie, „und ich freu’ mich extrem über die Einladung, schon zum zweiten Mal in Folge auf dem Festival spielen zu dürfen!“ Aber sie weiß auch, vor welche Probleme ihre Branche zur Zeit steht: „Etablierte Künstler wie ich haben nicht so ein Problem, aber viele andere, die ich kenne, fallen durch das Raster. Das sind junge, krasse Leute, die Hunger haben. Und viele Techniker, die von Veranstaltungen leben.“

Deshalb appelliert sie an das Publikum: „Wenn ihr könnt, unterstützt die Künstler und die Veranstaltungsbranche.“

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