Butoh-Festival im Frühjahr 2021  Japanischer Tanz voll obskurer Schönheit

Düsseldorf · Wolfgang Schäfer vom Weltkunstzimmer will mit einem Butoh-Festival die ausdrucksstarke, radikale Kunstform bekannter machen. Es kommen Tänzerinnen und Tänzer aus Japan und Berlin, die zu Musik von Soundkünstlern auftreten.

 Die Betonung der rohen Körperlichkeit der Tänzer ist ein Merkmal des Butoh. Der Japaner Taketeru Kudo tritt in einem Performance-Parkour auf.

Die Betonung der rohen Körperlichkeit der Tänzer ist ein Merkmal des Butoh. Der Japaner Taketeru Kudo tritt in einem Performance-Parkour auf.

Foto: Taketeru Kudo

Butoh, der im Japan der Nachkriegstanz entstandene Tanz, steckt voller Mysterien: Er ist unakademisch, roh, angespannt, bisweilen grotesk bis hin zur Komik. Ihm verfallen ist Wolfgang Schäfer, künstlerischer Leiter des Weltkunstzimmers, schon seit dem Jahr 1986. Da lernte er in Japan den Begründer dieser provokativen Kunstform kennen, den 2003 verstorbenen Kazuo Ōno. Gemeinsam mit Tatsumi Hijikata brachte dieser in den 50er Jahren, als Japan sich kulturell zunehmend amerikanisierte, eine dediziert japanische Kunstform auf die Bühne, die Schäfer zum dritten Mal mit einer Veranstaltungsreihe ehren will. Geplant schon für Mai diesen Jahres, wegen Corona verschoben, kommt das „Ghost 3 Butoh Soundart Festival“ im Frühjahr 2021 nach Flingern.

Der 64-jährige Schäfer widmete dem Butoh viele Jahre seine Lebens, tanzte bis 1997 selbst Butoh, konzentrierte sich dann aber stärker auf das Kuratieren von Ausstellungen. „Butoh ist ohne seine Geschichte nicht zu denken“, sagt Schäfer. Seine Entstehung habe er „radikalen Provokateuren“ zu verdanken, wie es sie heute nicht mehr gebe: „Dieser Ausdruckstanz, diese obskure Ästhetik sind nie zum Medien-Seller geworden.“ In Berlin gebe es eine Szene, und durch ihn und seine Kontakte zu japanischstämmigen Berlinern und Tänzerinnen und Tänzern aus Japan auch in Düsseldorf. Butoh sei aber weder in dessen Heimatland noch in Deutschland zum anerkannten Kulturgut geworden.

Dabei steckt der Tanz aus der japanischen Subkultur, der das Fremde im Menschen zum Ausdruck bringen soll, voller Kraft, interessanter Widersprüche und Reibungsflächen. „Er ist eine Reduktion auf den Körper, auf das Kreatürliche und Vergängliche, ein fast existenzieller Ansatz“, erklärt Schäfer. In den 2000er Jahren, als er auf den Spuren der großen Tänzerinnen und Tänzer bereits mehrfach in Japan gewesen war, habe das Interesse am Butoh auch in Europa langsam zugenommen, auf die Spielpläne habe der Tanzstil es aber dennoch nicht geschafft – mit Ausnahme vielleicht des Tanzhauses, wo es „tolle Tänzer und Choreografen“ gebe, die sich auch dem Butoh widmeten.

2011 fand Schäfer nach der Übernahme der Hans-Peter-Zimmer-Stiftung an der Ronsdorfer Straße endlich die Räume und Möglichkeiten, seine Leidenschaft auch den Düsseldorfern näherzubringen, die noch keinen Kontakt mit der besonderen Kunstform hatten. Beim ersten, multimedialen Festival „Ghost – Deep Soul – Death Bears Life“, traten neben Yuri Nagaoka und Seiji Tanaka aus Tokio auch deutsche Butoh-Künstler wie Yuko Kaseki, Yukio Suzuki und Teita Iwabuchi auf. Nach mehreren Ausstellungen, Workshops und dem zweiten „Ghost“-Festival kehren Suzuki und Kaseki kommendes Jahr zurück ins Weltkunstzimmer.

Mehrteilige Workshops sollen ab April 2021 in die Kunstform einführen, gefolgt von einem Performance-Parcours in mehreren Räumen der ehemaligen Großbäckerei. Dabei finden sich die Besucher – geplant waren Gruppen aus 120 Personen, Schäfer geht durch die Corona-Verordnungen jetzt vorsichtig von 60 aus – in den einstigen Industrieräumen wieder, in denen je eine Tänzerin oder ein Tänzer auftritt. Die geschmeidigen Bewegungen, die sich mit abrupten Verrenkungen abwechseln, führen die Künstler zu Musik von Soundartisten aus Berlin, Belgien und Düsseldorf vor. Die Butoh-Tänzer wissen dabei laut Schäfer vorher nicht, welche Soundkulisse sie erwartet. Die stammen beispielsweise von Gamut Inc., einem Ensemble computergesteuerter Musikmaschinen, und dem Interstedelijk Harmonium Verbond, einer Gruppe Belgiern, die mit mehreren Harmonien Klanglandschaften erzeugen. Die Einzelvorführungen dauern eine halbe Stunde, ein Guide führt die Gruppe von Raum zu Raum, Pausen sind eingeplant.

Die Tanz- und Musikperformances erweitert eine Ausstellung, die gleichzeitig das Setting für die Butoh-Aufführungen bildet. Die Filmkünstlerin Alisa Berger zeigt Aufnahmen, die sich intensiv mit dem Tanzstil auseinandersetzen, und für die Berger die Vertreter dieses aufrührerischen Tanzes begleitet hat. Zu sehen sollen auch Skulpturen der Kunstakademie-Absolventin Yukie Laurentia Beheim sein, sowie begehbare Installationen von Wolfgang Schäfer, der aus Naturmaterialien und durch spärliche Beleuchtung einen geisterhaften Ort schuf, den er „Waldfriedhof“ nennt. „Die Ausstellung ist das Bühnenbild der Performance“, erklärt Schäfer, „sie soll auf abstrakte Weise Vergänglichkeit symbolisieren“.

 Tenko Ima tanzt am 7. Mai 2021 im Weltkunstzimmer.

Tenko Ima tanzt am 7. Mai 2021 im Weltkunstzimmer.

Foto: Kaori Yoshimoto
 Yuko Kaseki ist eine Vertreterin der Butoh-Szene aus Berlin. Auf Einladung Schäfers kommt sie 2021 für das Festival nach Düsseldorf.

Yuko Kaseki ist eine Vertreterin der Butoh-Szene aus Berlin. Auf Einladung Schäfers kommt sie 2021 für das Festival nach Düsseldorf.

Foto: Ben Lenhart
 Das Gamut-Maschinen-Orchester im Steedelik-Museum AAmsterdam beim "Sonic Acts"-Festival 2019

Das Gamut-Maschinen-Orchester im Steedelik-Museum AAmsterdam beim "Sonic Acts"-Festival 2019

Foto: Weltkunstzimmer
 Wolfgang Schäfer (Weltkunstzimmer) in einer Projektion für das Butoh-Festival 2021

Wolfgang Schäfer (Weltkunstzimmer) in einer Projektion für das Butoh-Festival 2021

Foto: Weltkunstzimmer

Der Tod, den jedes Leben in sich trägt, sei ein zentraler Bestandteil der Philosophie hinter Butoh, und Schäfer möchte diesen Gedanken durch die Verbindung aus Tanz und audiovisueller Kunst heraufbeschwören. Die Butoh-Künstler wollen durch ihre Gesichtsausdrücke, die weiße Schminke und die wenige Kleidung – Tänzerinnen und Tänzer treten nicht selten nahezu nackt auf – ganz elementare Sinne bedienen: „Es geht um eine erweiterte Kunsterfahrung, um Synästhesie.“

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