Das Harmonium Hommage an ein fast vergessenes Instrument

Düsseldorf · Klaus Langer will das Image des Harmoniums, das viele mit Friedhofskapellen in Verbindung bringen, entstauben. Er spielt es, tritt damit auf – und hat bereits 300 der alten Instrumente restauriert.

 Klaus Langer an einem französischen Harmonium.

Klaus Langer an einem französischen Harmonium.

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

Klaus Langer bekommt rund zehn Anrufe pro Woche – nicht selten von Leuten, die bei einer Haushaltsauflösung auf ein altes Harmonium stoßen und nichts damit anzufangen wissen. „Manche schenken es mir, einfach um es loszuwerden“, berichtet der 60-jährige Toningenieur aus Grevenbroich. Sein Elternhaus in der circa 30 Kilometer südwestlich von Düsseldorf gelegenen Stadt hat er zu einer Harmonium-Werkstatt umfunktioniert: Hier hat er schon an die 300 Instrumente restauriert. „Aber jedes kann ich nicht retten.“ Zur Zeit warten dort noch rund 20 Stück auf ihre Reparatur, noch einmal so viele stehen in seiner Ausstellung in Düsseldorf.

Das Harmonium genießt kein besonders ruhmreiches Image – jedenfalls nicht mehr. „Es hat irgendwann mal diesen religiösen Anstrich bekommen und wird heute von vielen nur noch mit Friedhofskapellen in Verbindung gebracht“, sagt Langer. Dabei war das Harmonium Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ein durchaus beliebtes Instrument, das in vielen Wohnzimmern stand – unter anderem auch deswegen, weil es deutlich günstiger war als ein Klavier.

Klaus Langer schätzt das bei vielen in Vergessenheit geratene Instrument noch immer sehr. Er sei im tiefsten Herzen Romantiker – und genau aus der Epoche stammt das Harmonium. Ähnlich wie bei einem Akkordeon oder einer Mundharmonika wird der Klang durch Schwingungen in der Luft erzeugt. „Durch die schwingenden Metallzungen kann man mehrere Klangfarben miteinander mischen, was sich einfach gut anhört“, sagt Langer. Mit dem Fußpedal bestimmt man, wie laut oder leise die Töne erklingen.

Schon oft haben sich Menschen bei ihm gemeldet, die den alten Kasten am liebsten auf dem Sperrmüll entsorgen würden, das aber dann doch nicht übers Herz bringen. Einige von ihnen konnte er überzeugen, es zu behalten. Denn die Reparatur sei in den meisten Fällen viel weniger aufwendig, als man denkt: Die Blasebälge, mit denen man den Luftstrom erzeugt, sind mit Gummi überzogen. „Das wird oft porös, kann aber ganz einfach neubezogen werden.“ Das älteste Instrument, das er restauriert hat, ist von 1842. „Und das klingt heute wie neu.“

Doch Langer restauriert und unterrichtet nicht nur, er komponiert auch Musik, organisiert ein alle zwei Jahre stattfindendes Harmonium-Festival und ist mit seinem Lieblingsinstrument auf der Bühne zu sehen. So auch im September im Theater an der Luegallee, wo er die Musik mit einer Lesung verbindet. „Der Anlass zu dem Programm war die Frage: Wie hat sich eigentlich die Literatur mit dem Harmonium beschäftigt?“, erklärt Langer.

Denn das komme nicht nur in den Buddenbrooks von Thomas Mann vor, sondern auch in einigen anderen Werken. Er hat sich drei ganz unterschiedliche Kurzgeschichten rausgesucht, die er sich schon jetzt freut, seinem Publikum vorzulesen – und zwischendurch an den entsprechenden Stellen eine kleine Harmonium-Einlage zu geben. Ihm macht es Spaß, in die Rollen der verschiedenen Figuren zu schlüpfen, nicht umsonst gibt er in der Stadtbücherei Kurse zu spannendem Vorlesen.

Vor allem aber möchte Langer mit seinem Schaffen eins zeigen: „Was dieses Instrument alles kann und dass es völlig zu Unrecht niemand mehr kennt.“ Dass es nochmal zu einem Instrument der Massen wird, glaubt er zwar nicht. „Aber es kommen vermehrt Opernhäuser und Orchester auf mich zu, die sich für ein Harmonium interessieren – denn wenn man die großen romantischen Stücke so aufführen will wie damals, kommt man an einem Harmonium nicht vorbei.“ Vielleicht ist das der Beginn einer kleinen Renaissance eines einst großen Instruments.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort